Letzten Mittwoch hat die Bundesagentur für Arbeit die aktuellen Arbeitslosenzahlen veröffentlicht. Agenturchef Frank-Jürgen Weise erklärte, dass die Zahl der arbeitslosen Menschen im Dezember 2006 aufgrund der konjunkturellen Entwicklung und Dank des milden Wetters zwar »nur« um 12.000 höher war als im November, aber immerhin um 597.000 niedriger als im Vergleichsmonat Dezember 2005. Im Endeffekt bleibt es dabei: auch im Dezember 2006 war die Arbeitslosenzahl mit über vier Millionen bzw. die Arbeitslosenquote mit 9,6 Prozent im Durchschnitt sehr hoch.
Die veröffentlichten Zahlen und die Verlautbarungen der Regierungsvertreter sowie der Unternehmensvertreter ließ die deutsche Öffentlichkeit, die stets gewöhnt war, dass, wenn in Nürnberg die hohen Zahlen bekannt gegeben werden, gleichzeitig in der Frankfurter Börse die Sektkorken knallen, staunen. Man fragte sich, ob die Zahl der Arbeitslosen wirklich zurückgeht.
Doch bei genauerem hinsehen, zerplatzt die Seifenblase schnell und man stellt fest, dass weder die chronische Massenarbeitslosigkeit zurückgegangen ist, noch die Armut trotz Lohn von seiner Dynamik etwas verloren hat. Bevor man sich mit den Statistiken detaillierter auseinandersetzt, sollte folgendes nochmals unterstrichen werden: die Tatsache, dass in einem Land, das Exportweltmeister ist und in der die Unternehmens- und Kapitalgewinne derart rekordverdächtige Höhen erreichen, über vier Millionen Menschen vom wirtschaftlichen, somit vom gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Leben herausgedrängt werden, ist mehr als ein Skandal. Gleichzeitig ist diese Tatsache der Beweis dafür, dass die ach so alternativlose Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik, desaströse Konsequenzen für die Bevölkerungsmehrheit verursacht.
Nun zu den Zahlen: Im Jahresdurchschnitt gesehen ist die Arbeitslosenquote mit 10,8 Prozent im Westen 9,1 und im Osten 17,3 Prozent unakzeptabel hoch. Innerhalb der Arbeitslosen ist die Zahl der Langzeitarbeitslosen, denen bei der Arbeitsplatzsuche »Nullchancen« bescheinigt werden, von 36 (2005) auf 42 Prozent (2006) gestiegen. Die Zahl derjenigen, welche in den offiziellen Statistiken nicht mehr als »Arbeitslose« registriert sind und im Abstellgleis der als »Beschäftigungsmaßnahmen« genannten Kursen stecken, wird mit 1,6 Millionen angegeben. Addiert man zu diesen Zahlen auch diejenigen, die aus unterschiedlichen Gründen kein Arbeitslosengeld bzw. Hartz IV erhalten wobei bedenkt werden muss, dass über 8 Millionen Menschen zu einem, von Transferleistungen abhängigen Leben gezwungen werden, kann man feststellen, dass die eigentliche (und offizielle) Zahl der Arbeitslosen in Deutschland mehr als 6 Millionen beträgt.
Der Agenturchef Weise hatte bei der Vorstellung seiner Zahlen auch mitgeteilt, dass im Dezember rund 797.000 offene Stellen registriert waren. Hinter diesen Zahlen, die sich als erfreulich zeigen und die für die wohlbekannte Diffamierung einiger Medien »es gibt Arbeit, aber keiner will arbeiten« als Argument genannt werden, steckt jedoch die Tatsache, dass mehr als die Hälfte dieser »offenen Stellen« von Leiharbeitfirmen angeboten werden. Dass die Leiharbeitfirmen mit Hilfe des antiquierten Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes ihr Personal mit Niedriglöhnen und prekären Verhältnissen beschäftigen und in der Regel auch für den Druck auf Tariflöhne instrumentalisiert werden, dürfte ja vielen bekannt sein. Wenn man bedenkt, dass rund zwei Millionen Beschäftigte, trotz Vollarbeitszeit kein genügendes Einkommen haben und auf Nebenjobs angewiesen sind, dann wird die Armut verursachende und die Gesellschaft spaltende Wirkung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes noch deutlicher.
Wer trotz des Wissens um diese Tatsachen davon spricht, dass sich die Zahl der Arbeitslosen verringere und die sogenannten Reformen nun endlich greifen, hat entweder nicht alle Tassen im Schrank oder will bewusst die Öffentlichkeit täuschen. Solange die herrschende Politik in Deutschland an dem wahnwitzigen neoliberalen Kurs festhält und die Forderungen der Unternehmensverbände nach »weiteren strukturellen Reformen« als kategorische Imperative aufgreift, solange wird die Massenarbeitslosigkeit nicht zurückgehen, die Armut immer mehr um sich greifen und die Zahl derer, die nicht mehr »gebraucht werden«, sich erhöhen.
Dabei gibt es sogar unter den derzeitigen Gegebenheiten der neoliberalen Globalisierung verschiedene Möglichkeiten, die Beschäftigung im Rahmen von ordentlichen Arbeitsverhältnissen zu erhöhen. Wie in einem Antrag der Fraktion Die Linke. im Deutschen Bundestag benannt, reichen öffentliche Investitionen in die als notwendig gesehenen Bereiche und die Ausweitung der öffentlich geförderten Beschäftigung aus, um mehr als eine Million Menschen in tariflich bezahlten Vollzeitarbeitsplätzen zu beschäftigen. Doch vor diesem sinnvollen Schritt steht ein Hindernis: Die Profitgier der Kapitaleigner, die die Politik in Geiselhaft genommen haben.