Die Reinigung des Rezipienten durch von der Kunst ausgelöste Affekte - die Katharsis - wurde durch Aristoteles in seiner "Poetik" als Zentralkategorie der klassischen Ästhetik eingeführt und seither immer wieder erörtert. Dieser _Gedanke ist sicherlich die Grundlage für die Anwendung von Kunst im Zusammenhang mit der Strafe, bis hin zu oben beschriebenen Entwicklungen in New York.
Interessant ist die Frage, von was der Kunstbetrachter gereinigt werden soll: welche Affekte sollen ausgelöst und in der Katharsis überwunden werden? Bei Aristoteles sind es "Jammer" (èleos) und "Schauder" (phóbos). Die übliche Wiedergabe von griechisch "éleos" und "phóbos" durch lateinisch "misericordia" und "metus" (Mitleid und Furcht) bedeutet eine Neuinterpretation des Aristoteles. Wenn ich das Jammern über meine Situation und meine Phobien überwinde, werde ich als Individuum stärker; "reinige" ich mich von Mitleid und Furcht, werde ich - erlernten Gehorsam (Ehrfurcht) vorausgesetzt - zum willfährigen Befehlsempfänger jedwelcher Macht.
Mit der Gründung der Sozialtherapeutischen Abteilung in der JVA Brandenburg führte deren Leiterin Dipl.. Psych. Jutta Sedat Kreativmaßnahmen als Teil der Behandlung für alle Klienten ein. Hier wird versucht die Potentiale der bildenden Kunst für die Behandlung von Straftätern zu nutzen.
Neben der Idee der Katharsis ist es vor allem das Wissen um die Macht der Bilder im Unterbewußten, das diesem Behandlungsansatz zugrunde liegt.
Man kann davon ausgehen, dass schon das kreative Gestalten als solches heilend wirkt - gerade in der Situation des Gefangenen. Darüber hinaus wird in den im Behandlungsprogramm der SothA Brandenburg obligatorischen Kreativkursen zielorientiert an für Straftataufarbeitung relevanten Themen gearbeitet.
Irgendwo zwischen selbstbestimmter künstlerischer Tätigkeit im "freien Atelier" und für die Klienten vorgeschriebenen Kreativkursen - zwischen Respekt und Struktur - entsteht ein therapeutisches Milieu, das fördernd für die Behandlung ist.
Joseas R. Hemes
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