Wenn ich diesen Namen höre, sehe ich ein Kind vor mir. Es steht ein wenig abseits, ein Kind mit unschuldig zu den Schläfen geschwungenen Augenbrauen, mit grünen Augen, aus denen Traurigkeit, gepaart mit Zorn, blickt, mit einem schmollenden Mund. Und Schnee sehe ich, der schwer auf den Hängen liegt, violette Felsen im Gebirge, verlassene Felder und verratene Menschen.
Wenn ich diesen Namen höre, werde ich zu einem Kurden.
Dann bin ich das Kind eines verachteten, gepeinigten, von Blitzen des Bösen getroffenen Volkes.
Dann bin ich Moses, der das Rote Meer nicht teilen,
Jesus, der nicht vom Kreuz herabsteigen und
Mohammed, der nicht nach Medina auswandern
konnte.
Hilflos bin ich.
Wütend.
Allein.
Wenn ich diesen Namen höre, bin ich ein Kurde.
Berfin bedeutet „Schneeglöckchen“ (Schneeflöckchen).
Wenn ich diesen Namen höre, bin ich eine Weise, ein
Klagelied, der Klang einer Hirtenflöte im Gebirge.
Ich lasse den Kopf ein wenig hängen.
Bin bekümmert.
Immer wurde ich verraten, und immer war ich
der Verräter.
Man tötete meine Kinder, nannte mich Mörder.
Ich bin es, dessen Haus angezündet und der verbrannt wurde, ich bin es, dem man den toten Körper seines Sohnes eines Abends auf einem Ochsenkarren brachte.
Ich durfte weder singen noch weinen.
Ich bin Kurde und immer sollte ich etwas anderes sein als Kurde.
Es ist mir verwehrt, meine Kinder nach meiner Mutter zu benennen.
Berfin bedeutet Schneeglöckchen.
Und immer wenn ich diesen Namen höre, werde ich
zu einem Kurden.
Wieder haben sie den Namen Berfin verboten.
Gesetze, Regierung, Parlament all das schert die Verbietenden nicht. Aus Angst vor einem Namen treten sie ihre eigenen Gesetze mit Füßen.
Sie verbieten, dass Kinder Berfin genannt werden.
Es sind mysteriöse Herren. Sie verbergen ihre Gesichter, verbergen ihre Identität, bewegen sich in den Untiefen des Staates und hintergehen ihre eigenen Gesetze. Sie haben Angst vor Kindern. Vor Liedern, Blumn, Farben und Namen haben sie Angst.
Sie sind von meinem Blut und beschämen mich.
Ich bin nicht mehr einer von ihnen.
Ich bin keiner von denen, die Kindernahmen verbieten.
Ich bin keiner der Unterdrücker.
Ich schließe mich den Unterdrückten an.
Wenn jemand Berfin sagt, werde ich zu einem Kurden.
Und dann erwarte ich den Aufstand der Türken.
Ich will die Stimmen von Türken hören, die sich denen widersetzen, die verbieten, dass kurdische Kinder den Namen Berfin tragen.
Gibt es niemanden von meiner Rasse, der sich dieser Ungerechtigkeit entgegenstellt?
Gibt es keinen Türken, der die Trauer und Wut dessen teilt, der seinem Kind nicht den Namen seiner Mutter geben darf? Gibt es keinen von meinem Blut, der sich gegen diese Ungerechtigkeit auflehnt?
Gibt es keinen, der sich für dieses Schweigen schämt, dem es Unbehagen bereitet, den eigenen Namen unter denen der Unterdrücker zu finden?
Berfin bedeutet Schneeglöckchen.
Wieder einmal haben sie verboten, dass Kinder Berfin genannt werden.
Seit Jahren schon haben diese Menschen Angst vor einem Schneeglöckchen.
Seit Jahren schon haben sie Angst vor Kindern.
Wenn ich den Namen Berfin höre, werde ich zu einem Kurden.
Dann bin ich Moses, der das Rote Meer nicht teilen,
Jesus, der nicht vom Kreuz herabsteigen und
Mohammed, der nicht nach Medina auswandern
konnte.
Ich bin ein Berfin im Gebirge.
Und Angst habe ich immer wenn ich die Angst
der Feiglinge sehe.
Ich bin wütend.
Hilflos.
Allein.
Übersetzung: Hülya Engin aus: Nützliche Nachrichten, 4/2003
(Ahmet Altan ist ein bekannter türkischer Schriftsteller und Journalist. Er scheut sich nicht, Tabuthemen anzusprechen. Das Original dieses Gedichts wurde am 18.August 2003 im gazetem.net veröffentlicht.)