Aralık 2003 / Dezember 2003

Kontroversen um die »globalisierungskritische Bewegung«

Simone Buckel und Christopher Vogel

Intro

Die gegenwärtige globalisierungskritische Bewegung zeichnet sich vor allem durch ihre ungeheure Bandbreite aus. Aufgrund dieser Vielfalt (oder ›Multitude‹ wie sie Michael Hardt und Antonio Negri in ihrem Buch ›Empire‹ nennen) von Organisationen, Parteien, Initiativen, Bewegungen und Einzelpersonen, die unter diesem Begriff subsumiert werden, ist es notwendig, sich sowohl die verschiedenen Fraktionen (siehe dazu die anderen Beiträge) als auch die inhaltlichen Kontroversen zwischen den Gruppen genauer anzuschauen.

Letztere werden im folgenden Thema sein und drehen sich hauptsächlich darum, welches Verhältnis die verschiedenen Strömungen zur »offiziellen« Politik und Staaten haben, was wie kritisiert wird (hier vor allem ob man die Auswirkungen der Globalisierung im Auge hat oder das System – sprich den Kapitalismus als Ganzes, das der Globalisierung zugrunde liegt – fundamental in Frage stellt) und wen man mit seinen Forderungen eigentlich erreichen möchte, sprich was unter Öffentlichkeit verstanden wird.

Neben diesen zentralen Punkten werfen wir noch einen Blick darauf, wie mit der Frage der Gewalt als ein Mittel der politischen Auseinandersetzung umgegangen wird. Beginnen möchten wir zunächst mit einem Einblick in die NGO-Aktivitäten der 90er Jahre, da daran exemplarisch das (Miss-)Verhältnis zwischen Globalisierungskritik aus der Dritten Welt und aus dem Westen aufgezeigt werden kann und da die NGOs für ein bestimmtes Verhältnis zum Staat und zur offiziellen Politik stehen, das ein zentraler Teil der Kontroverse um die globalisierungskritische Bewegung ist.

Die Nichtregierungsorganisationen/NGOs
Der Lobbyismus der NGOs

Wie schon angedeutet wäre es verkürzt, allgemeine Aussagen über die globalisierungskritische Bewegung zu treffen. Dasselbe gilt für all jene Organisationen und Gruppen, die wir hier unter dem Label NGOs verhandeln. Der Begriff ›NGO‹ ist nicht geschützt und so tummeln sich hier die verschiedensten Zusammenschlüsse. Die Spannbreite reicht von linken und sehr kritischen Organisationen über kirchliche, karitative und reformorientierte Gruppen bis hin zu Gründungen von Unternehmensverbänden. In der Art und Weise wie Politik verstanden und betrieben wird, herrschen jedoch Gemeinsamkeiten, die wir hier als Lobbyismus beschreiben möchten. Eigentlich war der Begriff Lobby einst negativ besetzt. Man dachte an Unternehmenszusammenschlüsse, die in den Hinterzimmern von Parlamenten versuchten, ihre Interessen durchzusetzen. In den 90er Jahren wurde er aber zunehmend positiv aufgeladen.

Entwicklungspolitische NGOs bezeichneten sich selbst als »Lobby für die Armen« oder als »Lobby für die Umwelt«. So versuchte und versucht man durch die Kraft des besseren bzw. richtigen Argumentes die EntscheidungsträgerInnen der »offiziellen« Politik zu überzeugen und durch massenmedial ausgerichtete Öffentlichkeitsarbeit im Diskurs um Globalisierung Begriffe zu besetzen, Meinungen zu prägen und ein neues Bewusstsein in den Bevölkerungen zu verankern. »Der Lobbyismus war und ist für das Politikverständnis der großen Mehrheit der Nichtregierungsorganisationen zentral.« (buko postionen zu lobbykritik 2002). Um sich besser vorstellen zu können, wie das in der Praxis aussieht, hier einige kurze Beispiele:

Die UN-Konferenz zu Umwelt und Entwicklung 1992 und der lokale Agenda 21-Prozess

Die auf der UN-Konferenz zu Umwelt und Entwicklung (engl. UNCED) in Rio 1992 verabschiedeten Abkommen und Absichtserklärungen wurden von allen damaligen Beteiligten als Wendepunkt internationaler Politik gefeiert. In Bezug auf Globalisierung und Umwelt wurde das Kriterium »Nachhaltigkeit« eingeführt, ein Containerbegriff, der sich von allen Seiten vereinnahmen ließ und bis heute in den seltensten Fällen mit Sinn gefüllt wird. Laut UNCED sollten bis Ende 1996 in allen Kommunen die Beschlüsse der Agenda 21 in Rio lokal umgesetzt bzw. Fahrpläne, wie dies zu tun sei entwickelt werden. Unter Beteiligung aller relevanten ProtagonistInnen der sog. Zivilgesellschaft sollte konsensorientiert Entscheidungen getroffen werden. Gerade NGOs, die an der Konferenz sehr stark beteiligt waren, feierten ein neues Politikverständnis. Nicht mehr nur PolitikerInnen sollten über das Schicksal der Menschheit entscheiden, sondern alle. Nicht mehr nur ökonomische Interessen sollten die Globalisierung bestimmen, sondern auch ökologische und soziale Nachhaltigkeit (wie gesagt, was immer das bedeuten mag). So schwärmte der BUND: »Man hätte es der internationalen Bürokratie kaum zugetraut, aber sie hat es entworfen: ein Konzept, das einer revolutionären Umwälzung gleichkommt.« (zitiert nach: Stock 1998, S.7) Zugleich setzte ein lokales Agenda Fieber in der entwicklungs- und umweltpolitischen Szene ein. Trotz aller Zuversicht regte sich Kritik an den lokalen runden Tischen:

»Durch die Betonung des Lokalen und Individuellen in den LA 21-Prozessen werden die komplexen (welt-) gesellschaftlichen Zusammenhänge eher verdunkelt als erhellt. Die Konsequenz ist, dass die meisten Aktivitäten im Rahmen der LA 21 kaum mehr als Gewissensberuhigung bewirken.« (ebd.)

Überhaupt wurde die Vereinnahmung und Entschärfung von Kritik und die Affirmation der bestehenden Weltordnung bemängelt. Der Konsensgedanke in der Lokalen Agenda zwinge zu Konfliktvermeidung und bewirke die »Befriedung und Entpolitisierung potentieller Kritiker, die im Interesse ›konstruktiver‹ Auseinandersetzungen lieber ihren Mund halten, um nicht als notorische Querulanten dazustehen.« (ebd.) Durch die Beteiligung verschiedener NGOs, LokalpolitikerInnen, interessierten Einzelpersonen und VertreterInnen der Wirtschaft wird suggeriert, dass alle an einem Strang ziehen, ohne die realen Kräfteverhältnisse und unterschiedlichen Interessen zu thematisieren. Während es in allen politischen Institutionen auf allen Ebenen immer wieder zu heftigen Auseinandersetzungen kommt (gerade in internationalen Organisationen wie der UNO und der WTO lässt sich das in fast vorhersagbarer Regelmäßigkeit beobachten), sollen nun plötzlich Streitigkeiten unter dem Tisch gelassen und Entscheidungen in aller Eintracht getroffen werden.

Nicht vergessen werden sollte außerdem, dass in Rio auch Abkommen verabschiedet wurden, die erhebliche Verschlechterungen der Lebensbedingungen gerade der Bevölkerung in der 3. Welt nach sich ziehen. In der Konvention über biologische Vielfalt (CBD) wird z.B. die kommerzielle Ausbeutung und Patentierungsfähigkeit natürlicher Ressourcen geregelt (was diversen NGOs wiederum neue Betätigungsfelder auf internationalen Konferenzen erschließt).

Widerstand gegen das ›Multilateral Agreement on Investments‹ (MAI)

Das Scheitern des MAI war kein Verdienst von NGOs, auch wenn sie sich den Erfolg auf ihre Fahnen schrieben. Le Mond diplomatique bezeichnete den Abbruch der OECD-Verhandlungen gar als einen »unbestreitbaren Sieg der Bürgerinitiativen, die in zahlreichen Ländern und insbesondere in Frankreich die Öffentlichkeit mobilisiert haben.« (Le monde diplomatique vom 11.12.98) Auch die taz beschrieb das Ende des MAI als »Erfolg des Widerstands der Intellektuellen und Kulturschaffenden.« (taz vom 15.19 1998) Doch ähnlich wie bei der WTO-Tagung von Seattle wurden die unterschiedlichen nationalen Interessen unüberwindbar, so dass sich kein Abkommen verabschieden ließ.

Vielleicht war die hauptsächlich von NGOs getragene Anti-MAI Kampagne auch nur dem Umstand geschuldet, dass NGOs mit Ausnahme von Gewerkschaften (die sich an die Vereinbarung, nichts an die Öffentlichkeit dringen zu lassen hielten) nicht von den Verhandlungen unterrichtet worden waren. Gerade deutsche NGOs waren nicht grundsätzlich gegen das MAI: »Das wirtschaftliche Potential der Direktinvestitionen enthält eine große Chance, zu wirtschaftlichem Wohlergehen beizutragen, wenn es in den Dienst einer sozial gerechten und umweltverträglichen Entwicklung gestellt wird«. (WEED und GermanWatch 1997)

Skandalisiert wurde in der Folge, dass die Verhandlungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführt worden waren und genau durch diese Argumentation erreichte die Anti-MAI Kampagne große öffentliche Wirkung. Bei fehlendem Hintergrundwissen konnte aber durchaus der Schluss gezogen werden, dass die Rechte von BürgerInnen durch eine Verschwörung von Kapitalisten und Politikern in Gefahr seien. »Aus dieser Reduktion komplexer Inhalte auf einfache Erklärungsmuster, unter Aussparung einer konsequenten Kapitalismus- und Staatskritik, resultierte eine unheilige Allianz zwischen linken InternationalistInnen und rechten VaterlandsverteidigerInnen.« Zwar wurde der Einfluss von multinationalen Konzernen und ihrer Lobbyorganisationen auf die internationale Politik thematisiert, allerdings stark durch eine nationalistische Brille gesehen. Das Abkommen raube den Staaten jegliche Einflussmöglichkeit und sei deswegen zu verhindern, lautete die Hauptargumentation. Damit eröffnete sich eine Anschlussmöglichkeit für rechte Gruppen. Aus deren Sicht betraf das MAI »die Existenzfrage unseres Volkes«, bedeute das »Ende der nationalen Souveränität« und die »Herrschaft der Konzerne« (was übrigens auch der Slogan diverser trotzkistischer Splittergruppen ist, wenn es um Globalisierung geht).

Und so waren sich in diesem Punkt ausnahmsweise mal alle einig. Rechts wie Links, Regierungen wie KritikerInnen: Globalisierung darf nicht bedeuten, dass Staaten ihrer regulierenden Funktion beraubt werden (Die französische Regierung begründete ihren Rückzug von den Verhandlungen damit, dass einige MAI-Klauseln zu weitgehend seien und sie den Verlust staatlicher Handlungsfähigkeit und Souveränität zur Folge hätten).

Die Berliner MAI-AG resümierte diese Allianz folgendermaßen: »Es ist der Anti-MAI Kampagne nicht gelungen, neben der Verschiebung des globalen Kräfteverhältnisses zugunsten von transnationalen Konzernen auch die veränderte Rolle der Nationalstaaten in der Weltwirtschaft zu beschreiben. Mit der Idee, den Staat zu einem Bollwerk gegen die Negativfolgen der Globalisierung auszubauen, haben große Teile der Kampagne dem Mythos von einem gerechten (Wohlfahrts-) Staat neuen Auftrieb gegeben und damit die BürgerInnen ihrem nationalen Wettbewerbsstaat wieder ein Stück näher gebracht.« (Alle Zitate in: iz3w Nr. 236)

Die ›Erlassjahr-Kampagne‹

Ein weitere »Erfolg« der globalisierungskritischen NGO-Szene soll die exemplarische Darstellung der Lobbyaktivitäten zunächst abrunden. Auf dem Kölner G8-Treffen 1998 verkündeten die anwesenden Regierungschefs der führenden Industriestaaten einen teilweisen Schuldenerlass für die »am höchsten verschuldeten Länder« der Welt. Damit wurde zumindest teilweise eine Forderung der internationalen NGO-Kampagne ›Jubilee 2000‹ erfüllt. In Köln selbst hatten sich am Tag zuvor 20000 Menschen, darunter auch BMZ-Ministerin Wieczorek-Zeul, die Hand gereicht und eine Menschenkette um den Tagungsort gebildet, um der Forderung nach einem Schuldenerlass für 3.Welt Länder Nachdruck zu verleihen. Die Botschaft kam bei den Adressaten an und Bundeskanzler Schröder bedankte sich im Anschluss für das bürgerschaftliche Engagement der Kampagne. Dass der Schuldenerlass an Strukturanpassungsprogramme von IWF und Weltbank und an die Beteiligung der ›Zivilgesellschaft‹ geknüpft worden war, verzeichneten westliche NGOs als Erfolg (auch wenn die damit einhergehende Stärkung von IWF und Weltbank kritisiert wurde). Dieser Erfolg sei das Ergebnis von »politischer Hintergrundarbeit«, dadurch habe die Kampagne die Verschuldung zu »einem Gegenstand der politischen Debatte« gemacht.

»So behandelt der neue UNCTAD-Bericht das Thema ausführlich, der Generalsekretär der UN setzt sich für eine Reform ein und in Deutschland wurde auf Druck der Kampagne eine Anhörung im Bundestag veranstaltet.« (Overkamp 2001, S.4) Damit sind auch nebenbei die Adressaten der eigenen Politik benannt. Die (internationalen) EntscheidungsträgerInnen sollen überzeugt werden, eine bessere Politik zugunsten der Armen der Welt zu machen.

Auch in dieser Kampagne wurde mit dem nationalen Eigeninteresse argumentiert, um die politischen EntscheidungsträgerInnen zu überzeugen: Durch die hohen Schulden bestehe auch Gefahr »durch den Verlust von Exportmärkten für unsere Industrie.« Weitere Auswirkungen »die früher oder später auch uns (treffen): durch Drogenhandel, Klimaveränderungen, Flüchtlinge« (so heißt es in einer Publikation der Kampagne. Zitiert nach Hierlemeier/Ramminger 2001, S.6), gelte es abzuwenden.

Über Ursachen der Verschuldung erfuhr man aus den Reihen gerade der deutschen Erlassjahr-Kampagne nichts. Vielmehr verstand man sich als Mittler zwischen Gläubigern und Schuldnern. Folgerichtig unterschieden sich die Forderungen kaum von den Angeboten der Regierenden. So wurde das Konzept der »tragfähigen Schulden« übernommen (Anteil des Schuldendienstes an den Exporterlösen), mit dem Ergebnis, dass sich die Position der Kampagne »nur noch in den quantitativen Nuancen von der Weltbankposition unterschied.« (so Peter Wahl von WEED. Zitiert nach: Ebd.)

Doch regte sich auch innerhalb der Kampagne Kritik an der Vorgehensweise. Die im ›Jubilee South‹-Bündnis organisierten Gruppen aus der 3. Welt, die ein Teil von Jubilee 2000 waren, kritisierten von Anbeginn die Vorgehensweise und Argumentation der Nord-NGOs: »Wir schulden nichts und wollen nichts zahlen.« Jubilee South benannte auch die Ursachen der Verschuldung. Für sie liegen »die Wurzeln der Schulden in der Versklavung und der Kolonisierung unserer Länder.« Während die einen auf Lobbyarbeit bei PolitikerInnen, IWF und Weltbank setzten, forderten die anderen Basisarbeit und eine Bewegung der Massen der Armen weltweit mit eindeutiger Zielrichtung: »Jubilee South will eine Abschaffung des Kapitalismus.« Von der Zusammenarbeit mit den NGOs aus dem Norden zeigte man sich enttäuscht:

»Seit dem Ende des Kalten Krieges konnte man Zeuge werden, wie viele ehemalige Verbündete im Norden, eingeschlossen Kirchen und Nichtregierungsorganisationen, angesichts des aggressiven Neoliberalismus eine Form der kollektiven und unbewussten Zensur betreiben. (...) Bisweilen sind ihre neuen Diskurse kaum noch von denen ihrer Regierungen zu unterscheiden. (...) Genug der karitativen Annäherungen, des verschwommenen Mitgefühls und der seichten symbolischen Besuche der ›Partner‹ im Süden, um dort Raum einzunehmen und Tagesordnungen zu verabschieden, die vom Norden bestimmt werden. Das ist keine Partnerschaft. (...) Wir fragen nicht nach Vermittlung oder Unterstützung für Lobbyarbeit. Wir fordern Solidarität, und das ist etwas völlig anderes.« (alle Zitate bei Klas 1999, S.9 ff.)

Betreibt man Stellvertreterpolitik für Menschen in der 3. Welt macht es sich gut, wenn eben solche ihre Unterschriften unter Resolutionen setzen und bei Kongressen auftreten. Dass deren Forderungen zum Teil radikaler sind als die eigenen, wird dann geflissentlich ignoriert. So finden sich auch die Forderungen und Einschätzungen von Jubilee South nicht in den offiziellen Verlautbarungen von Jubilee 2000 wieder. Doch auch die radikale Linke wurde von Jubilee South kritisiert, weil sie sich absolut desinteressiert an der Entschuldungsforderung zeigte und so das Feld den reformorientierten NGOs überließ, ohne eigene, kritische Positionen in den Diskurs einzubringen.

Shake-hands mit den Mächtigen der Welt

Um die Zielgruppe von den eigenen Zielen überzeugen zu können, setzen die NGOs auf die Kraft des besseren Argumentes und des Vorteils für alle Beteiligten. Zwischen VertreterInnen der Zielgruppe und den LobbyistInnen »herrscht ein Geben und Nehmen.« (ebd.) Für die Zielgruppen »muss sich der Kontakt insoweit lohnen, als seine Informationslücken gefüllt werden, er einen Informationsvorsprung gewinnt oder seine Position in der Öffentlichkeit gestärkt wird. Es wird unterstellt, dass VertreterInnen der Zielgruppe genauso handeln würden wie der/die LobbyistIn, sobald die besseren Argumente auf dem Tisch sind. In dieser Logik ist es unsinnig, NGOs vorzuwerfen, sie würden den Kapitalismus nicht grundsätzlich kritisieren. Wenn ich mich auf Verhandlungen mit einem Manager eines transnationalen Konzerns an einen Verhandlungstisch setze, will dieser natürlich nicht hören, dass sein Konzern Teil des großen Übels ist.

Auch wenn einige VertreterInnen von NGOs (wie etwa T. Seibert von medico international) die Wichtigkeit grundsätzlicher Kritik und die Mobilisierung von Menschen auf Demonstrationen unterstreichen, weil so den Forderungen von LobbyistInnen Nachdruck verliehen würde, gilt es die Kontraproduktivität dieser Politik herauszuarbeiten. Durch die Ausrichtung an Industrie und offizieller Politik und gleichzeitiger Abgrenzung gegenüber Straßenmobilisierungen, gleicht man sich herrschenden Politikformen an. Politik ist dann nur noch das, was am Verhandlungstisch der Herrschenden thematisiert wird. Durch die Nähe zu RepräsentantInnen aus Politik und Wirtschaft führt dies auch zur Übernahme bzw. Verständnis für deren Positionen. So wird ein hegemonialer Globalisierungsdiskurs gestärkt und weiterentwickelt. Alternativen zum System können nicht mehr gedacht, geschweige denn formuliert werden.

Dies drückt sich allein schon in der Sprache aus, die auf internationalen Konferenzen gang und gäbe ist. Dort ist dann die Rede von win-win-Situationen, von Sustainability- und Governance-Aspekten usw. Dieser ExpertInnen-Diskurs schließt eine breite Masse von Menschen aus, die mit diesen Begriffen nichts anfangen können. »Wer mitspielen will, ist gezwungen, die Spielregeln zu beachten, die auf dem Diskursfeld an der Schnittstelle zwischen Staat und Gesellschaft gelten. (...) Der Zwang zur Anpassung gilt in hohem Maße auch gegenüber Medien, auf deren Hebelwirkung die meisten NGOs angewiesen sind, um politisch Wirkung zu erzielen.« (Wahl 2000, S.27)

Damit wird die Definitionsmacht von offiziellen Diskursen unterstützt, die darüber entscheidet, was als seriöse, fachkompetente, ideologiefreie, konstruktive und differenzierte Kritik gilt (wiederum z.B. in Abgrenzung zu Staßenprotesten). Stattdessen ist dann von Dialog, Konsens und Partizipation die Rede, als ob Politik nicht durch Macht, unterschiedliche Interessen und Herrschaft geprägt wäre. Durch die Verwendung von sinnentleerten Containerbegriffen wird positive thinking vermittelt, aber keine Inhalte. Durch die Verwendung von Begriffen wie Good bzw. Global Governance, nachhaltige Entwicklung oder win-win-Option wird zwar Einigkeit mit den Regierenden hergestellt, aber es läßt sich nur schwerlich feststellen, für was sie stehen sollen.

Der Staat soll es richten

In unseren Augen ist aber das problematischste an der Lobbypolitik die Legitimierung staatlicher Politik. Durch die eigene Beteiligung an internationalen Abkommen wird diesen ein Anstrich von Demokratie verliehen (schließlich war ja auch die ›Zivilgesellschaft‹ daran beteiligt). So wurden im Kosovokrieg die militärische Intervention der Nato durch »humanitäre« NGOs abgefedert.

Auch die von NGOs erhobene Forderung nach Global Governance klingt eher nach einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für LobbyistInnen, als nach Verbesserungen der Lebensverhältnissen von marginalisierten Menschen. So heißt es etwa im von entwicklungspolitischen ExpertInnen verfassten Memorandum 98: »(Die NGOs) tragen eigene konzeptuelle Verantwortung, sollen aber stärker als bisher auch finanziell unterstützt und bei der Planung von Strukturprogrammen einbezogen werden. Die Mittel für entwicklungspolitische Bildungs-, Öffentlichkeits- und Lobbyarbeit müssen erheblich aufgestockt werden.« (Memorandum 98, S.6)

Was mit dieser Aufstockung der Mittel erreicht werden soll, benennt diese Gruppe ebenfalls: »Die Steuerungsfähigkeiten, die durch den mit der Globalisierung einhergehenden Bedeutungsverlust der Nationalstaaten eingeschränkt wurden, müssen auf internationaler Ebene durch eine überregionale Ordnungs- und Strukturpolitik einer Global Governance wiederhergestellt werden.« Das Problem, dass es gerade die »Ordnungs- und Strukturpolitik« sowohl der westlichen Industriestaaten, als auch der von ihnen kontrollierten suprastaatlichen Gremien wie IWF und Weltbank waren, die für den gegenwärtigen Zustand der Welt die Hauptverantwortung tragen, wird nicht gesehen.

So ist es auch nur folgerichtig, dass während auf den Straßen von Seattle und Genua Tausende für die Abschaffung dieser Gremien bzw. die Verhinderung der von ihnen projektierten Beschlüsse protestierten, NGOs sich in Verhandlungen bemühten, genau diese Beschlüsse und Organisationen zu beeinflussen. Wie perfide es ist, sich das Scheitern von Verhandlungen, an denen man gerade noch mitwirkte, als Erfolg auf die eigenen Fahne zu schreiben, liegt auf der Hand.

Zu fordern wäre hier eine Zusammenarbeit von NGOs und eher aktionsorientierten Teilen der globalisiertungskritischen Bewegung. Durch die Nähe zu den EntscheidungsträgerInnen aus Wirtschaft und Politik haben NGOs Zugang zu Informationen, die einer weiteren Öffentlichkeit häufig versagt bleiben. Auch durch das akkumulierte Fachwissen könnten NGOs komplizierte Vorhaben transparent machen. Ein Beispiel ist hier die Konvention zur Biodiversität. Durch die Veröffentlichung der Vorhaben bezüglich der Patentierung von biologischen Wirkstoffen gelang die Skandalisierung der projektierten Privatisierung genetischer Ressourcen. Im Konzert der Mächtigen könnten NGOs so Informationen nach unten »durchsickern« lassen, um Straßenprotest zielgerichteter und fundierter auftreten zu lassen.

Die obigen Ausführungen betreffen nicht allein NGOs. Große Teile der globalisierungskritischen Bewegung richten ihre Forderungen an Nationalstaaten, die die Zumutungen neoliberaler Wirtschaftspolitik lindern sollen. Somit stehen NGOs nur exemplarisch für ein Staatsverständnis, das die aktive Rolle von Nationalstaaten bei der Ausgestaltung des Globalisierungsprozesses übersieht. Auch bei der Vermeidung grundsätzlicher Kapitalismuskritik zum Zwecke der Bündnisfähigkeit und der massenmedialen Vermittelbarkeit, stehen NGOs nicht alleine, wie wir im Folgenden sehen werden.

Antikapitalismus oder Antiglobalisierung ?

Die zweite große Kontroverse, die innerhalb der globalisierungskritischen Bewegung geführt wird, dreht sich um die Frage der ›richtigen‹ bzw. der ›vollständigen‹ versus ›verkürzter‹ Kapitalismuskritik. Denn die verschiedenen Strömungen innerhalb dieser Bewegung haben durchaus gemeinsam, dass sie Widersprüche im Prozess der kapitalistischen Globalisierung zum Ausgangspunkt ihres Handelns erklären. Allerdings unterscheiden sie sich sehr deutlich in ihrer Analyse und damit auch in den Forderungen, die daraus entwickelt werden. Beides wollen wir im Folgenden genauer skizzieren. Exemplarisch lässt sich dies am Netzwerk Attac verdeutlichen, denn Attac ist nicht nur ein in sich heterogenes Bündnis, indem sich unterschiedliche Strömungen ›streiten‹, sondern es ist auch das Bündnis, das in den öffentlichen Medien die meiste Beachtung findet, und auch in der linken Presse kontrovers diskutiert wird. Zunächst unternehmen wir jedoch den Versuch, die unterschiedlichen Positionen bezüglich des kapitalistischen Systems und was denn daran zu kritisieren sei zu beschreiben.

Globalisierungskritisch? Antikapitalistisch

Der wohl größere Teil der sogenannten globalisierungskritischen Bewegung stellt nicht so sehr das kapitalistische System an sich in Frage, sondern plädiert für eine ›humanere‹ Gestaltung der ökonomischen Globalisierung. Kritisiert werden in erster Linie die negativen Folgen der Globalisierung und entsprechend werden Forderungen vornehmlich an Institutionen, sowohl auf nationaler als auch internationaler Ebene, gerichtet.

Ob diese Ausrichtung auf eine eher realpolitische Orientierung (als Strategie politischen Handelns) oder auf die grundsätzliche Übereinstimmung mit dem Kapitalismus als herrschendes System zurückzuführen ist, muss weiter differenziert werden. Hinzu kommen die Gruppen, die sich vereinfachter Darstellungen bedienen, um eine größtmögliche Zielgruppe anzusprechen. So sind Kampagnen, die sich z.B. gegen IWF, Weltbank bzw. WTO richten oder die mit einfachen Slogans wie »Brecht die Macht der Banken und Konzerne« versuchen, MitstreiterInnen zu mobilisieren, häufig von sehr unterschiedlichen Gruppierungen getragen, die sich in ihrer Kapitalismusanalyse unterscheiden. Von quasi nicht vorhanden, da eher aktionsorientiert (People’s Global Action), bis hin zu intellektuellen Gruppierungen, wie etwa die Gruppe ›Raisons d’agir‹ um den verstorbenen Pierre Bordieu, reicht diese Bandbreite.

Ullrich Brand unterscheidet die anti-neoliberale (nicht zu verwechseln mit der antikapitalistischen) Bewegung (also die Gruppen und Einzelpersonen, die ihr Augenmerk und ihre Kritik auf die negativen Folgen der Globalisierung richten) in drei Typen:

- in Netzwerken organisierte Gruppierungen, deren Protest sich in erster Linie gegen WTO, IWF und Weltbank richtet und die Kapitalismuskritik als anachronistisch erachten (People’s Global Action);

- links-keynesianische Gruppierungen, die versuchen, intellektuelle Kritik und soziale Bewegungen aufeinander zu beziehen, das System des Kapitalismus aber kaum hinterfragen;

- das Netzwerk Attac, das mit konkreten Vorschlägen (z.B. Tobintax) das Projekt der neoliberalen Globalisierung zu verbessern sucht und in seiner Analyse in einem reduzierten Krisenbegriff stecken bleibt.

Gemeinsam ist diesen drei Typen, dass sie sich selbst zwar jenseits der Realpolitik verorten, ihre Forderungen aber durchaus an realpolitische Institutionen und nationalstaatliche Regierungen richten. Im Zentrum steht die Handlungs- und Bündnisfähigkeit sozialer Bewegungen, die trotz politischer Heterogenität in den jeweiligen Reihen, durch einfache Formeln und die Benennung gemeinsamer Gegner (wie z.B. Banken, Großkonzerne, IWF, WTO) erhalten wird. Auf den großen Demonstrationen gegen das neoliberale Projekt (Seattle, Prag, Göteborg, Genua etc.) stellten sie die Mehrheit und fanden für manche Forderungen auch die Zustimmung namhafter Politiker, wie z.B. Oskar Lafontaine oder auch Gerhard Schröder.

Das System des Kapitalismus, das der Globalisierung zugrunde liegt, wird nicht in Frage gestellt. Der Protest und auch die Analyse, sofern sie betrieben wird, beschränken sich auf die negativen Folgen einer neoliberalen Wirtschaftspolitik (Privatisierung, Prekarisierung von Lohnarbeitsverhältnissen, Ausbeutung von Mensch und Umwelt). Impliziert wird damit, dass sozusagen erst mit dem Einsetzen der Globalisierung, das auf Anfang der 80er Jahre datiert wird, das Übel seinen Lauf nahm.

Doch »vom Kolonialismus über die Verschuldungskrise bis hin zur ›Weltmarktintegration‹ hat die Verwertungslogik des Kapitalismus schon immer eine Spur der Ausbeutung und Zerstörung nach sich gezogen« (buko Faltblatt ›bewegung durch bewegung‹, S.1). Zur antineoliberalen Position gesellt sich das im vorangegangenen Kapitel beschriebene Verständnis von Nationalstaaten und ihren Regierungen. Der Staat wird weniger als Akteur neoliberaler Politik gesehen, sondern als Institution, die im Zuge der Deregulierung immer mehr Handlungskompetenz einbüßt. Die Forderung nach dem ›re-embedding‹ wirtschaftspolitischer Regulierung in den Kompetenzbereich von Staaten, die damit der ›Entfesselung des Marktes‹ entgegentreten können, resultiert aus dieser Einschätzung. Selbst links-keynesianische Gruppierungen, die den Staat als integralen Bestandteil neoliberaler Politik sehen, setzen auf den Staat, für den ein anderes Kräfteverhältnis erwirkt werden soll, um eine gerechtere Verteilung des Reichtums zu gewährleisten.

Auf der antikapitalistischen Seite der globalisierungskritischen Bewegung finden wir die Gruppen und Einzelpersonen, die den Kapitalismus als System in Frage stellen und seine Überwindung als erklärtes Ziel verfolgen. Hierzu gehören verschiedene linksradikale Gruppierungen, die vom autonomen Spektrum bis zu sozialistischen Organisationen/Parteien reichen.

Ebenso wie die antineoliberale Seite verorten sie sich jenseits der Realpolitik. Zielgruppe etwaiger Kampagnen ist jedoch die Bevölkerung und nicht staatliche und überstaatliche Institutionen. Dies trifft vor allem auf die traditionsmarxistischen Gruppen (wie SAV und Linksruck) und die radikalen KapitalismuskritikerInnen (wie etwa die sogenannten Autonomen) zu. Als Forum für die eigenen Inhalte dienen in erster Linie internationale und auch lokale Protestkundgebungen. Mit einfachen Slogans wie »Gegen Privatisierung und Sozialabbau« oder »Brecht die Macht der Banken und Konzerne« und agitatorischen Flugblättern soll medienwirksam die Bevölkerung angesprochen werden. Andere wiederum interessieren sich weniger für die Vermittelbarkeit der eigenen Politik, sondern eher für direkte Aktionen und die Auslebung des eigenen Widerstandes. Die VertreteInnen der postmodernen Theorie suchen eher die Auseinandersetzung mit den AkteurInnen sozialer Bewegungen, die einen emanzipatorischen Anspruch haben. Dies geschieht in Form von Konferenzen und diversen schriftlichen Publikationen, die als Diskussionsforen verstanden werden. Aber auch mit Pink & Silver als Aktionsform hat diese Strömung mittlerweile ihren Platz auf Demonstrationen gefunden.

Wer hat die längste Kapitalismuskritik?

Das wohl am häufigsten gebrauchte Adjektiv in der Auseinandersetzung um die ›wahre Kapitalismusanalyse‹ ist das Wörtchen ›verkürzt‹. Die Gruppe I.N.K.A.K. aus Hamburg (Institut für nachhaltige Kapitalismuskritik) hat sogar eine Broschüre herausgegeben mit dem Titel »Kritik der verkürzten Kapitalismuskritik«, in der sie neben der Kritik des Verkürzten auch »Perspektiven des Unverkürzten« vorstellen. ›Verkürzt‹ ertönt immer dann, wenn man/frau wichtige Kritikpunkte missachtet, ignoriert oder vereinfacht dargestellt sieht. Der Vorwurf der verkürzten Kritik kommt vornehmlich aus den Reihen, der sich theoretisch mit dem thematischen Komplex der Globalisierung auseinandersetzenden Gruppen und Einzelpersonen. Dabei muss unterschieden werden zwischen der Kritik an eher aktionsorientierten Gruppen wie Attac oder Linksruck, denen häufig Theorielosigkeit und/oder vereinfachte Darstellungen vorgeworfen werden, und der Auseinandersetzung unter Theorielinken, die sich gegenseitig auf ihre analytischen Defizite aufmerksam machen.

Kritik an Attac

Die bürgerliche Presse sah in dem Netzwerk Attac sehr schnell das Zentrum der ›neuen Bewegung‹. Die schnell wachsende Anzahl der Mitglieder sowie die bundesweite Gründung lokaler Attacgruppen, führte dazu, dass die linke Debatte um die globalisierungskritische Bewegung von der Auseinandersetzung mit diesem Netzwerk dominiert wurde.

Unseres Erachtens gibt es zwei zentrale Diskussionsstränge: zum einen die Sichtweise des Verhältnisses zwischen Nationalstaaten und transnationalen Konzernen und zum anderen das Verhältnis von Produktion und Spekulation. Einher mit beidem geht der Vorwurf Reformpolitik zu betreiben und eine Beteiligung an der Macht anzustreben. Beides sind Vorwürfe, die wir im ersten Teil unseres Textes bereits am Beispiel von NGOs erläutert haben und die sich bei Attac nicht anders darstellen.

Markus Wissen fasst die Kernaussagen von Attac folgendermaßen zusammen: »Es gibt ein Regulierungsdefizit; die Ökonomie und vor allem deren monetäre Sphäre ist der Politik im Zuge der Globalisierung enteilt. Die Rezepte dagegen liegen auf der Hand: Durch die Einführung der Tobin-Steuer, die Schließung von Steueroasen, die Stabilisierung der Wechselkurse etc. soll dem unregulierten Treiben ein Ende bereitet und das verloren gegangene Primat der Politik wieder hergestellt werden (Wissen 2002, S.25). Und im Originalton Attac: »Mit der Drohung auf einen anderen ›Standort‹ [...] auszuweichen, verfügen internationale Finanzkonzerne und KapitalbesitzerInnen über ein Erpressungspotential, mit dem sie die Politik auch demokratisch gewählter Regierungen ihrer Disziplin unterwerfen« (Grundsatzpapier Attac: »Erklärung zur demokratischen Kontrolle der Finanzmärkte«).

Die Vorstellung, dass sich nationale Regierungen und der ›Markt‹ diametral gegenüberstehen kommt in diesem Zitat zum Ausdruck. Die aktive Beteiligung von Nationalstaaten an der neoliberalen Globalisierung wird verkannt. Nicht zuletzt waren und sind es nationale Regierungen die in Form überstaatlicher Organisationen (WTO, Weltbank) die strukturellen Voraussetzungen zur Handelsliberalisierung schaffen. Und es sind nationale Regierungen, die ihren Repressionsapparat in Gang bringen, um Teile der globalisierungskritischen Bewegung, die vermeintlichen ›militanten Chaoten‹, auf Demonstrationen niederzuknüppeln. Und es sind auch nationale Regierungen, die über große militärische Macht verfügen, um überall in der Welt Kapitalinteressen den Weg zu ebnen. Und diese Regierungen sind alle ›demokratisch‹ gewählt. »Zwar sind Politik und Ökonomie im Kapitalismus formal voneinander getrennt. [...] Doch sind Markt und Staat miteinander verflochten: Die kapitalistische Ökonomie bedarf des Staates, um nicht an ihren eigenen Widersprüchen zugrunde zu gehen, um nicht ständig ihre eigenen sozialen und ökologischen Voraussetzungen zu untergraben« (Wissen 2002, S.25f). Die Gruppe I.N.K.A.K. folgert daraus, dass »eine Kritik, die soziale Forderungen ernst nimmt, den kapitalistisch organisierten Nationalstaat in Frage stellen muß« (Gruppe I.N.K.A.K.). Und eben das tut Attac nicht. Dies verwundert allerdings auch nicht, wenn man/frau weiss, dass Attac in Deutschland massgeblich von NGOs (wie z.B. WEED, share, Blue 21), die darin eine Verbindungslinie zu den ›neuen‹ sozialen Protestbewegungen sehen, mitbegründet wurde und mitgestaltet wird.

Wie bereits oben benannt, ist der zweite zentrale Kritikpunkt die Analyse von Produktion und Spekulation. Laut Attac sind die internationalen Finanzmärkte massgeblich für die ökonomischen Krisen der letzten Jahre verantwortlich. Zu ihrer demokratischen Kontrolle macht Attac eine Reihe von konkreten Vorschlägen: Die Einführung einer Steuer auf internationale Finanztransaktionen (Tobinsteuer), die Schließung von Steueroasen, die Regulierung von Derivaten, das Verbot von hochspekulativen Fonds, die Stabilisierung von Wechselkursen. Kritisiert wird damit in erster Linie der Abzug von Geld aus der Produktion: »Rund 97% dieses Betrages [der Devisenumsätze auf den Weltkapitalmärkten] dienen nicht mehr produktiven, sondern rein spekulativen Zwecken, und haben sich damit weitgehend von ihrer primären Funktion – der Finanzierung von Handel und Dienstleistungen – entfernt. [...] Internationale Finanzmärkte müssen wieder ihrer primären Funktion, der Finanzierung von Handel und Dienstleistungen, zugeführt und angemessen besteuert werden, um eine weltweit sozial gerechte und nachhaltige Entwicklung zu ermöglichen« (Attac zitiert nach I.N.K.A.K.). Auch hier scheint wieder der keynesianistische Traum einer gerechten Gesellschaft auf, der fragen lässt, warum eigentlich der Keynesianismus seit den 80er Jahren weltweit auf dem Rückzug begriffen ist. Zusätzlich wird die Trennung von Kapital in produktives Kapital (schaffend) und spekulatives Kapital (raffend) aus zwei Gründen kritisiert. Zum einen sind die internationalen Finanzmärkte von der produktiven Ebene nicht zu trennen. Globalisierung findet zwar zentral über Finanztransaktionen statt, diese sind allerdings sind eng verbunden mit der Internationalisierung der Produktion. Nicht zuletzt existieren Konzerne heute in Form von Aktiengesellschaften, so dass Spekulation und Produktion zwei Seiten derselben Medaille sind, die durch die Marktwirtschaft organisiert sind. Zum anderen wird die unterschiedliche Bewertung von Spekulation als das raffende Kapital (böse) und Produktion als das schaffende Kapital (gut) kritisiert. Spekulation und Produktion funktionieren nach der gleichen Effizienzlogik, denn dort wo am meisten Geld zu verdienen ist wird entweder spekuliert oder produziert. Die Produktion als etwas prinzipiell Gutes zu bewerten ignoriert einerseits die zerstörerischen Produktionsbedingungen für Mensch und Natur und andererseits die Tatsache, dass sehr viele Produktionsgüter sinnlos, schädlich oder sogar tödlich sind (z.B. Waffen). Ebenso unsinnig ist die Verurteilung der neoliberalen Globalisierung, wenn gleichzeitig die ›heimische‹ bzw. nationale Ökonomie als das zu schützende und zu verteidigende gesehen wird. Denn diese arbeitet ebenso profitorientiert, wie überall auf der Welt und wird nicht etwa von ›außen‹ dazu gezwungen, z.B. zu rationalisieren, Arbeitsrechte abzubauen oder Reallöhne zu senken. Ebenso gerät man/frau mit dieser Sichtweise sehr schnell in die Nähe von rechten Positionen, die die nationale Befreiung von neoliberaler Ausbeutung propagieren (vgl. etwa Debatte um das MAI).

Desweiteren birgt die Unterscheidung in raffendes und schaffendes Kapital die Gefahr, antisemitische Denkmuster zu bedienen. Vor allem in Deutschland sollten raffende Finanzspekulanten, die international agieren, nicht zum primären Feindbild/Gegner produziert werden. Der Vorwurf, antisemitisch zu argumentieren, wurde allerdings nicht nur an Attac gerichtet, sondern galt eigentlich der gesamten globalisierungskritischen Bewegung. Auch wenn solche Debatten häufig in Rechthaberei, gegenseitigen Beleidigungen, Spaltungen usw. enden, sind diese Auseinandersetzungen doch wichtig, um zu einer Kapitalismuskritik zu gelangen, die diesen Namen auch verdient. Konkret geht es um Ausbeutung, Herrschaftsverhältnisse wie Rassismus und Sexismus, Macht und die Verstricktheit aller im System und nicht um die geheime Kontrolle weniger über die Geschicke der Welt. Dies unterscheidet unseres Erachtens linke von rechter Kapitalismuskritik. Dennoch geht Kritik (z.B. aus dem »antideutschen« Spektrum) zu weit, Globalisierungskritik à la Attac pauschal als antisemitisch zu bezeichnen, denn damit wird der Begriff inflationär gebraucht und nur weil man ›verkürzte‹ Bilder verwendet, ist es zum aktiven Antisemiten schon noch ein Stück Weg.

Der Forderungskatalog von Attac hat sich seit seiner Gründung vor allem in Deutschland stetig erweitert. Hinzugekommen sind Forderungen nach einer »demokratischen Umgestaltung und politischen Neuorientierung von IWF, Weltbank und WTO«, einer »Lösung der Schuldenkrise der Entwicklungsländer«, der »Beendigung der neoliberalen Strukturanpassung«, einem »System der solidarischen Alterssicherung« und einer »zivilen und friedlichen Konfliktlösung«. Ebenso wird »die Privatisierung des Gesundheits- und Bildungssystems und des öffentlichen Rundfunks« und die »Privatisierung öffentlicher Güter wie Wasser und genetische Ressourcen« abgelehnt (alle Zitate aus dem Reader zum letzten Attac Ratschlag, Erklärungsentwurf: Eine andere Welt ist möglich). Innerhalb von Attac gibt es zu den unterschiedlichen Punkten durchaus auseinandergehende Meinungen. So gibt es z.B. auch Gruppen, die die Abschaffung von WTO, IWF und Weltbank fordern oder sich generell gegen jede Form der Privatisierung aussprechen. Welche Forderungen sich letztendlich innerhalb Attacs durchsetzen und zur offiziellen Attac-Position werden, ist nicht vorhersehbar. Dies hängt sicherlich von der weiteren Entwicklung lokaler Attacgruppen ab, die zum Teil sehr viel radikalere Positionen vertreten, als der bundesweite Koordinierungskreis.

Die Motivation linksradikaler Gruppen bei Attac mitzuwirken ist sehr unterschiedlich. Werner Rätz (Mitbegründer von Attac Deutschland und Mitarbeiter bei der Informationsstelle Lateinamerika) erhofft sich z.B. eine Radikalisierung der Bewegung. »Wenn die Forderungen von Attac Regierungsprogramm wären, müsste man sie von links kritisieren« äußerte er letztes Jahr vor dem Attac-Kongress in Berlin (zitiert nach: Stock 2001, S. 22). Aber solange die Ziele von Attac noch nicht Realität seien, könne man sich für sie einsetzen und mit ihrer Verwirklichung eine bessere Ausgangsposition erkämpfen.

Verkürzte Kapitalismuskritik im antikapitalistischen Spektrum

Neben Attac gilt der Vorwurf der verkürzten Kritik auch anderen Gruppen, die auf den großen Events der letzten Jahre präsent waren. Zum einen sind dies sozialistische Gruppierungen wie die SAV oder Linksruck, aber auch das autonome Spektrum. Kritisiert wird an beiden die Stilisierung eines Feindes, der von außen angreifbar ist. Kapitalismus wird nicht als Machtverhältnis verstanden, das sämtliche gesellschaftliche Verhältnisse durchdringt und entsprechend vielschichtige Herrschafts- und Unterdrückungsverhältnisse hervorbringt. Die einseitige Benennung von Gegnern wie Nationalstaaten oder übernationale Institutionen wie IWF, WTO oder Weltbank simplifiziert Macht- und Herrschaftsverhältnisse (vgl. auch Kapitel 5). Denn »wie der Staat (...) nicht einfach ein Instrument der Wirtschaftsbosse ist, ist auch das internationale Institutionensystem kein ›Instrument‹ der herrschenden Länder oder Büttel des Kapitals. Vielmehr verdichten sich in staatlichen und internationalen Institutionen weltweite bürgerlich-kapitalistische und imperialistische Kräfteverhältnisse. Sie sind Ergebnis sozialer Auseinandersetzungen , an denen alle Mitglieder der Gesellschaft beteiligt sind« (Brand 2001, S.10).

Vor allem sozialistischen Gruppen wird die Reduktion des Kapitalismus auf Klassenkampf vorgeworfen. Die Unterscheidung in Haupt- und Nebenwidersprüche und der Bezug auf eine vermeintlich homogene Weltarbeiterklasse verkennt die zahlreichen Interessenskonflikte, die sich aus den unterschiedlichen sozialen Lagen weltweit ergeben. »Der Arbeiter in Westeuropa könnte durchaus ein Interesse daran haben, dass seine Frau sich unbezahlt um Kinder und Haushalt und alle reproduktiven Arbeiten kümmert, dass die ukrainische Migrantin an der EU-Grenze abgewiesen wird und nicht Arbeitsplätze und Lohnniveau gefährdet, dass der Bauer in Ghana für den Kaffeeexport anbaut, dass der Aborigine von seinem Land vertrieben wird, auf dem sich eine Ölquelle befindet. Und das hat nicht nur etwas mit Kapitalismus zu tun, sondern auch etwas mit Patriarchat, Rassismus, Nationalstaaten, Industrialisierung, mit vielen Unterdrückungsmechanismen und gesellschaftlichen Zwängen« (I.N.K.A.K., S.8) Die Überwindung des kapitalistischen Systems würde also nicht automatisch alle anderen Herrschaftsverhältnisse beenden

Die Gewaltfrage

Gerade nach den gewaltsamen Auseinandersetzungen beim G 8 Gipfel in Genua wurde innerhalb der globalisierungskritischen Bewegung über Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung gestritten. Zwar wurde in den Massenmedien gerade wegen der tödlichen Schüsse auf einen italienischen Demonstranten und der brutalen Stürmung des Pressezentrums des Protestbündnisses auch über Polizeigewalt breit berichtet. Doch die Gewaltbereitschaft eines Teils der Bewegung nahm breiten Raum sowohl in der Berichterstattung, als auch in den anschließenden Diskussionen innerhalb der Bewegung ein. Wie schon zuvor beim EU-Gipfel, in Göteborg fast ausschließlich über die Auseinandersetzungen auf der Straße berichtet wurde, schien es auch nach Genua, als ob die Gipfelverhandlungen selbst in der Berichterstattung in den Hintergrund traten. War noch in Göteborg nie »von der Legitimität der Protestziele der großen Mehrheit (der DemonstrantInnen) die Rede« (Kraushaar), so änderte sich dies nach Genua. Nun entdeckten die beteiligten Regierungschefs auch die negativen Seiten der Globalisierung (bzw. ihrer eigenen Politik). Egal wie man zur Gewaltfrage steht, so läßt sich nicht bestreiten, dass ohne die gewaltsamen Auseinandersetzungen es erstens nicht zu einer solch breiten Berichterstattung gekommen wäre und dass zweitens sich die Regierungschefs nicht zu milden kritischen Kommentaren hätten bewegen lassen. Dass die Proteste sogleich politisch instrumentalisiert wurden, sei hier nur am Rande erwähnt. So versprach sich der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes, Ludger Volmer, »Rückenwind« für eine aktiverere Rolle der Bundesregierung auf dem Globus. Doch auch in der Linken wurde fleißig instrumentalisiert. So stilisierte die junge welt mit einem ganzseitigen Titelfoto, Carlo Guiliani, zu einem Märtyrer der Bewegung, nicht ohne Widersprüchlichkeiten: »Denn auf den folgenden Seiten werden die nihilistischen Anarchisten (denen Guiliani wohl zuzurechnen war) und ihre »unpolitische« Militanz gegeißelt.« (Stock 2001 (1), S.7)

Doch zurück zur Gewaltfrage: In einem Positionspapier nach dem EU-Gipfel in Göteborg, distanzierte sich der Attac-Koordinierungskreis von Gewalt als mittel der politischen Auseinandersetzung.Die Polizei sei nur Instrument der herrschenden Politik und nicht der Gegner. »Eine Strategie, die auf Militanz setzt, (...) halten (wir) für theoretisch falsch und politisch schädlich.« (Koordinierungskreis Attac 2001, S.4) Es ginge um die Köpfe möglichst vieler Menschen und das Gewaltthema sei »leicht politisch instrumentalisierbar, gerade deshalb ist es ein so wirksames Mittel zur Diskreditierung und Spaltung von sozialem Protest.« (ebd.) Gerade angesichts des größer gewordenen Einflusses der Medien gelte es, gewalttätige Bilder zu vermeiden. »Auch wenn es uns nicht passt, dass die Darstellung in vielen Medien einseitig und sensationslüstern ist, die Medien sind ein Machtfaktor, den man nicht ungestraft geringschätzen darf.« (ebd.) Auch den Einsatz von Gewalt mit der Gewaltförmigkeit des politischen Systems zu rechtfertigen sei ein Irrweg: »Es ist und bleibt ein qualitativer Unterschied, ob ich gezwungen bin, meine Arbeitskraft als Ware zu verkaufen, oder ob etwas mit vorgehaltener Waffe erzwungen wird.«

Attac schließt zwar Blockaden und zivilen Ungehorsam als begrenzte Regelverletzungen nicht aus, doch dies müsse öffentlich einschätzbar bleiben: »Uns ist es wichtig, dass Aktionen, an denen wir beteiligt sind, von vorneherein einen klaren, erkennnbaren Charakter haben – wer dort hinkommt, muss vorher wissen, was sie/ihn erwartet.« Ein Satz, der gleichlautend auch von den Tutti bianchi stammen könnte, die bekanntlich Militanz als »Markenzeichen« haben. Interessant an der letzten Äußerung von Attac ist, dass damit davon ausgegangen wird, dass Militanz einseitig von Demonstrierenden wie dem Schwarzem Block (auch wenn dieser Begriff nicht die Eindeutigkeit besitzt, wie das gerade nach Genua suggeriert wurde) ausgehen würde. Dass schon immer Polizeigewalt auch auf »friedliche« DemonstratInnen ausgeübt wurde, macht nicht zuletzt der Angriff auf die Diaz-Schule in Genua deutlich. Selbst innerhalb von Attac ist das oben zitierte Positionspapier umstritten. So bemängelt etwa Thomas Fritz von der Landesarbeitsgemeinschaft Umwelt und Entwicklung, die im Attac-Netzwerk organisiert ist, dass mit diesem Papier die Spaltungsbemühungen der Medien unterstützt würden. Er benennt das Beispiel Anti-AKW Bewegung, wo sich friedlicher und militanter Protest ergänzten. »Manche behaupten sogar, dies sei eine der Erfolgsbedingungen der Anti-AKW Bewegung gewesen. (...) Das symbolische Verhältnis zwischen friedlichem und militantem Protest als solches wenigstens zur Kenntnis zu nehmen, heißt noch lange nicht, Gewalt gutzuheißen oder gar die eigene Festlegung auf gewaltlosen Protest aufgeben zu müssen. Es heißt aber sehr wohl, sich nicht die Spaltung des Protests durch den Staat, dessen ideologische Begleitmusiker oder Medien aufzwingen zu lassen.« (Fritz 2001, S.5)

Er weist zusätzlich darauf hin, dass nach Genua die Inhalte der gemäßigten Anti-Globalisierungsbewegung in den Medien (mit Ausnahme der Regenbogenpresse) nicht untergegangen wäre. Dem ließe sich hinzufügen, dass Attac nach Genua zu einem Star des globalisierungskritischen Spektrums wurde und sich hervorragend als der »gute« Teil der Bewegung verkaufen konnte.

Die Distanzierung von Attac »übersieht« dabei andere Gewaltverhältnisse. Kritisiert wird nicht das Gewaltmonopol des Staates, sondern lediglich »Auswüchse« wie brutale Polizeiaktionen. »Die Anerkennung des staatlichen Gewaltmonopols liegt durchaus in der Logik des Politikverständnisses von Attac, ist der Staat doch auch der zentrale Ansprechpartner für Forderungen und Alternativvorschläge.« (AG Konfliktprävention 2001, S.6)

Die vereinfachende Fokussierung auf den »Schwarzen Block« verkennt außerdem, dass viele Menschen die Konfrontation mit der Polizei nicht suchen, sondern sie unter hohem persönlichen Einsatz in Kauf nehmen. Doch soll hier nicht jede Art von Militanz in Schutz genommen werden. Wer am Tag nach den heftigsten Ausschreitungen in Genua durch die Straßen der Stadt ging, konnte neben eingeworfenen Scheiben von Banken und Großunternehmen, die für die Missstände in der Welt durchaus verantwortlich gemacht werden können, auch massenhaft umgeworfene und ausgebrannte Wracks von Kleinwagen sehen. Was die Zerstörung von Fiats der AnwohnerInnen einer dem Gipfeltreffen durchaus nicht wohlgesonnenen Bevölkerung mit Protest gegen Kapitalismus zu tun haben soll, lässt sich selbst dem solidarischsten Betrachter nicht erklären. Hier war dann wohl eher Militanz um der Militanz wegen am Werk.

Ein weiterer Streitpunkt lässt sich in dem Kommunique von Attac ausmachen: »Gewalt gegen Personen und gegen Sachen werden in einen Topf geworfen, als ob es da nicht einen erheblichen Unterschied gäbe.« (AG Konfliktprävention, S.6) So entlarvt sich die Kritik von Attac, wo es ja auch Sympathien für die Demontage einer McDonalds-Filiale durch eine französische Bauerngruppe gab, als Anbiederung an die bürgerliche Presse. Hier sei noch ein Verweis an militante Aktionsformen z.B. in Indien erlaubt, wo ein im Bau befindliches Werk vom Agrar-Multi Monsanto zerlegt wurde oder auch eine Milchabfüllanlage eines Bundesstaatschefs gesprengt wurde (nicht ohne zuvor das Wachpersonal zu warnen und vor die Tür zu begleiten). Gewalt gegen Menschen lehnen die daran beteiligten Organisationen strikt ab.

Die pauschale Distanzierung von Gewalt ist somit in höchstem Maße unsolidarisch gegenüber Menschen, die sich militanter Mittel bedienen, um auf Missstände aufmerksam zu machen oder die sich schlicht und einfach gegen gewaltförmige (und die Einführung von genetisch verändertem Saatgut in der 3.Welt, als auch den Verlust von Einkommensmöglichkeiten der armen Landbevölkerung durch korrupte Politiker verstehen wir als gewaltförmig) Verhältnisse wehren.

Outro

Die hier behandelten Kontroversen stellen unserer Meinung nach die Hauptkonfliktlinien in der globalisierungskritischen Bewegung dar. Diese haben wir allerdings nur exemplarisch benannt und nicht unter Beteiligung aller AkteurInnen, weil das den Rahmen dieser Ausführungen gesprengt hätte. Natürlich haben wir das Hauptaugenmerk auf die Debatte in Deutschland gerichtet, nicht nur weil wir uns hier am »Besten« auskennen, sondern auch wegen der Fülle des Materials (bzw. des Mangels an anderem geschuldet). Dennoch sollte nicht vergessen werden, dass die globalisierungskritische Bewegung selbst global ist und einige Debatten deswegen andernorts mit einem anderen Hintergrund bzw. zum Teil gar nicht geführt werden (man denke etwa an die hiesigen Antisemitismusstreitigkeiten bzw. den Vorwurf der Bevormundung und Instrumentalisierung, der von Organisationen aus der 3.Welt zum Teil erhoben wird). Bei aller gegenseitiger kritischer Betrachtung sollte dennoch nicht vergessen werden, dass die Gemeinsamkeiten zwischen den Strömungen doch größer sind als die Differenzen.

Literatur

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Attac – Grundsatzpapier: Erklärung zur demokratischen Kontrolle der Finanzmärkte. www.share-online.de
Attac - Reader zum letzten Ratschlag 2002 (Literaturangabe über U.Brand)
Brand, Ulrich: Il popolo di Genova. In: iz3w Nr.255, Freiburg 2001
buko positionen zur nachhaltigkeitskritik Hamburg 2002
buko zur lobbykritik Hamburg 2002
buko zu globalisierung und globalisierungskritik, Hamburg 2002
buko zu bewegung durch bewegung, Hamburg 2002
Fritz, Thomas: Militanz als Strategie. In: iz3w Nr.255, freiburg 20012
Gruppe I.N.K.A.K. (Institut für nachhaltige Kapitalismuskritik, Hamburg): Kritik der verkürzten Kapitalismuskritik. (Broschüre zu bestellen unter: i.n.ka.k.@gmx.de)
Hierlemeyer, Moe/Ramminger, Michael: Der vorauseilende Gehorsam der Erlassjahr-Kampagne. In: iz3w Nr.254, Freiburg 2001
iz3w – blätter des informationszentrums 3. Welt, Freiburg/Br. Jahrgänge 1997-2002
dies. (Hg): Gegenverkehr – Soziale Bewegungen im globalen Kapitalismus. Freiburg/Br. 2001
Klas, Gerhard: Streit um Jubilee. In: iz3w Nr.239, Freiburg 1999
Koordinierungskreis Attac Deutschland:Strategie statt Militanz. In: iz3w Nr.255, Freiburg 2001
Kraushaar, Wolfgang: Die Grenzen der Anti-Globalisierungsbewegung. In: Mittelweg 36, 10. Jg. 2002
Le monde diplomatique vom 11.12.98
Memorandum ‹98: Die Chance der Globalisierung. In: iz3w Nr.231, Freiburg 1998
Overkamp, Christiane: Entschuldung zum Thema gemacht. In: iz3w Nr.254, Freiburg 2001
Stock, Christian: Wider das Agenda-Fieber. In: iz3w Nr.230, Freiburg 1998
Ders.: Déja Vu. In: iz3w Nr.257, Freiburg 2001
Ders.. Tränengas im Rückenwind. In: iz3w Nr.255, Freiburg 2001 (1)
taz – die tageszeitung vom 15.19 1998
Wahl, Peter: Diskursive Mimikry. In: iz3w Nr.247, Freiburg 2000
Wissen, Markus: Die Fesselungskünstler. In: iz3w Nr.258, Freiburg 2002
WEED und GermanWatch (Hg.): Alles neu macht das MAI? Broschüre von 1997

Quelle: www.copyriot.com/bewegt/