Aralık 2003 / Dezember 2003
Zivile Gesellschaft und die Aussage von Organisationen der zivilen Gesellschaft (NGOs)
Fikret Başkaya
Die Aussagen von der zivilen Gesellschaft bzw. Organisationen der zivilen Gesellschaft wird heutzutage sehr oft gebraucht. Aber diese haben nicht überall die gleiche Bedeutung. Was bei uns (in der Türkei Anm. d. Übersetzers) als Organisation der zivilen Gesellschaft genannt wird, wird im Ausland als Non Gouvernemental Organization, kurz NGO genannt. In den USA werden sie als Public Volontary Organizations (PVOs) bezeichnet. Wie man es bezeichnet, die Ziele und Missionen sind gleich. NGO ist der Synonym dafür, was diese Organisationen eigentlich nicht sind. Wenn wir NGOs in unsere Sprache übersetzen, müssten wir wortgemäß von ‚Nichtregierungsorganisationen’ sprechen. Bei genaueren Übersetzung müsste von Organisationen außerhalb des Staates gesprochen werden. Es ist kein Zufall, dass man das, was überall NGO heißt, bei uns ‚Organisationen der zivilen Gesellschaft’ benennt. Denn, bei uns ist es nicht einfach, alles außer dem Staate sich vorzustellen. Was versteht man also unter den Begriffen zivile Gesellschaft und Organisationen der zivilen Gesellschaft? Um nachzuvollziehen, was gemacht wird, ist es notwendig den Fragen, was ist der Grund dafür, dass die Aussage zivile Gesellschaft bzw. NGOs so beliebt ist und was sind die richtigen Voraussetzungen für die Benutzung dieser Begriffe, eine ideologische Klarheit zu geben. Denn, Begriffe werden jederzeit von irgendwelchen Leuten aufgeworfen und als Instrumente für irgendwelche Ziele benutzt. Aus diesem Grund kann die Bedeutung des Begriffs nicht unabhängig von den Personen, die es benutzen gedeutet werden. Es ist kein Zufall, dass in der letzten Zeit der Begriff der zivilen Gesellschaft so oft benutzt wird. Daher ist die Aussage zivile Gesellschaft, keine unschuldige Aussage.
Später werde ich darauf eingehen, aber vielleicht kann ein Beispiel es etwas verdeutlichen. Die Menschen in Nordzypern setzen sich gegen die unaussöhnliche Politik von Rauf Denktaş und füllen die Strassen mit der Forderung, die Zypern zu einen und Lösungen für eine gemeinsame Zukunft mit den Menschen in Südzypern zu finden. Dem gegenüber kommen 200 Organisationen der zivilen Gesellschaft zusammen und veranstalten eine Solidaritätskundgebung mit Rauf Denktaş! Über die Hälfte der in Zypern lebenden Bevölkerung geht mit Ihrer Forderung auf die Straße. Das ist die wahre Reaktion der “zivilen Gesellschaft”. Wenn das so ist, wessen Interessen vertreten diejenigen, welche die sich mit Rauf Denktaş “solidarisieren”? Abgesehen davon haben diese 200 Organisationen zu der Solidaritätskundgebung nur 800 Personen motivieren können... Das heißt, pro Organisation 4 Personen... Welches von den beiden Reaktionen ist die wahre Reaktion der zivilen Gesellschaft, welches ist die wahre Organisation der zivilen Gesellschaft? Ist Davos eine zivile Gesellschaft? Wenn das so ist, was ist dann das “Armen Forum” in Thailand? Wenn die Bauern von Pergamon eine Organisation der zivilen Gesellschaft sind, ist dann der türkische Unternehmerbund TÜSIAD auch eine NGO? Kann dann das NGO-Verständnis der Weltbank und/oder der IWF das gleiche sein, wie unser NGO-Verständnis?
Wie bekannt, sind Aussagen, Wörter und Terminologie nicht etwas, was unschuldig ist. Je nach dem, wer sie benutzt, ändern sich die Bedeutungen und Funktionen. Diejenigen, die den Begriff der zivilen Gesellschaft das erste mal benutzt haben, verstanden darunter etwas anderes. Während der Renaissance wurde dieser Begriff als ‘organisierte, rationelle Gesellschaft’, als Gegenbegriff der ‘natürlichen Gesellschaft’ verstanden. Ihre Rationalität und Organisierheit würde sie zu einer ‘zivilen Gesellschaft’ machen. Wegen dieser Qualität wurde es der natürlichen Gesellschaft überlegen gehalten: Quasi, als eine soziale Ordnung, welches von dem Staat geformt wurde... Der englische Philosoph John Locke nahm den Staat in den Begriff der zivilen Gesellschaft hinein. Aber für Machiavelli war die Autonomie des Staates das wesentliche. Thomas Hobbes meinte eine gesellschaftliche Ordnung, welches über einen Staat und Regierung verfügte, als Gegenbegriff einer Gesellschaft die von Naturgesetzen geformt wird. Später wurden der Markt und der Staat in den Begriff der Zivilgesellschaft aufgenommen. Adam Smith sprach von einer Zivilgesellschaft, welches den Markt und den Staat umfasste. Jean Jacques Rousseau machte mit der Aussage vom “Allgemeinen Willen” eine dreier Unterteilung: Natur, Zivilgesellschaft und politische Gesellschaft. Rousseau war der Meinung, dass die politische Gesellschaft die Funktion hatte, die Unfähigkeit der ersten Beiden aufzuheben. Marx sah das Problem in den Produktionsverhältnissen. Auch Antonio Gramsci san die Zivilgesellschaft als ein Konsens bringenden Hegemoniemittel. In diesem Zusammenhang wird der Begriff Zivilgesellschaft für Benennung des zwischen dem Markt und dem Staat Überiggebliebenen benutzt.
Um das problem zu verdeutlichen bzw. die unterschiedlichen Interpretationen zu überwinden, kann man von drei Unterschiedlichen Zivilgesellschaft Verständnissen sprechen. Das erste, nämlich die bürgerliche Weltanschauung, sieht es als das Freiheitsfeld, das zur Entwicklung des Individuums beiträgt. Im wesentlichen geht es hierbei um das individuelle Unternehmensfreiheit. Es wird davon ausgegangen, dass bei der Verwirklichung der Unternehmensfreiheit für jeden Unternehmer, “alles ins Lot” kommen wird. In diesem Fall bildet das Unternehmen die Grundachse der Zivilgesellschaft. Diese Grundachse umfassen dann verschieden Organisationen die ideologische Funktionen haben (wie Schulen, Kirche Moschee, Medien, öffentliche Dienstleister und natürlich Wohlfahrtsorganisationen). Die Aufgabe der Wohlfahrtsorganisationen besteht darin, die negativen Auswirkungen des Systems zu vernebeln bzw. zu vermindern, gegebenenfalls sie zu “Mystifizieren”. In einer solchen Weltanschauung und Gesellschaftsverstännis ist es selbstredend, dass das wesentliche Funktion des Staates darin besteht, das Privatvermögen zu schützen und die “Unternehmensfreiheit” zu gewährleisten. Wenn in der letzten Zeit von den “primären Funktionen des Staates” gesprochen wird, dann wird dies gemeint. Es muss so wenig wie möglich Staat sein, damit alles richtig funktioniert... Das ist genau das, was der frühere IWF Präsident Michel Camdessus versteht, wenn von “drei Händen” spricht: Die unsichtbare Hand des Marktes, die Spielregeln diktierende Hand des Staates und die gütige Hand der Wohlfahrtsorganisationen, die den Verlierern helfen... Die bürgerliche Weltanschauung wird der Markt nicht als soziale Produktionsverhältnis, sondern als etwas natürliches gesehen. Als ob es etwas übernatürliches Wesen wäre, die von der Willenskraft des Menschen unabhängig sei. In diesem Fall, ist es der Eingriff in den Markt etwas schlechtes. Leider ist derzeit die Zahl der Menschen, die an diese Phrase glauben nicht wenig... Aber ist der Markt nicht der Ort, in der Waren und Dienstleistungen produziert werden? Und ist der Markt nicht der Kampfplatz von Klassen, dessen Interessen nicht mit einander zu verbinden ist? Wenn der Markt die Grundreferenz und der unternehmende Kapitalist, der eigentliche Akteur ist und der Markt den Platz der Politik einnimt, dann ist es verständlich, dass der Wachstum als Fortschritt, der “Konsument” als Bürger verstanden und der politische Kampf auf “Mikroprobleme” (wie ethnische, kulturelle, religiöse Probleme) degradiert wird. Unter diesen Voraussetzungen ist es unvermeidbar, dass Organisationen der Zivilgesellschaft “apolitisiert” werden.
Ein anderes ‘NGO Verständnis” ist das naiv-gutmenschliche Zivilgesellschaftsverständnis. Dieses Verständnis bekämpft zwar die negativen Ergebnisse des Systems, aber diskutiert noch nicht mal über deren wahren Ursachen. Die Wohlfahrtsorganisationen sind typische Beispiele des naiv-gutmenschlichen Zivilgesellschaftsversändnisses. Derzeit werden sie in massiver Zahl benötigt. Denn aufgrund der neoliberalen politischen Entscheidungen wächst stetig die Zahl derer, die in die Arbeitslosigkeit, in die Armut, Obdachlosigkeit, in den Hunger, Perspektivlosigkeit, Bildungsmisere gedrängt werden und vor Naturkatastrophen ungeschützt bleiben. In diesem Zusammenhang ist es natürlich, dass auch die Zahl von Helfer NGOs wächst. Wenn die eigentlichen Probleme diskutiert werden, ist es einfach solche Organisationen zu zähmen und zu einem Manipulationsmittel umzuwandeln. Die Bekämpfung der negativen Systemergebnisse ohne die Hinterfragung des Kapitalismus, der neoliberalen Politik und dessen Auswirkungen wird keine endgültige Lösung bringen. Es verhilft aber zur Apolitisierung der Gesellschaft. Eine Organisation, die sich um die Strßenkinder kümmert, kann dazu helfen, dass vielleicht einige der Straßenkinder aus der Armutsspirale heraus kommen, kann aber nicht verhindern, dass jeden Tag noch mehr Kinder Obdachlos werden. Eine Umweltorganisation, welche die kapitalistische Akkumulationslogik nicht hinterfragt, kann vielleicht kleinere Erfolge nachweisen, kann aber nicht verhindern, dass Planetsrisiken die Zukunft der Menschheit und der Zivilisation weiterhin bedrohen. Genauso kann eine Menschenrechtsorganisation, die ein Diskussion über das kapitalistisch imperialistische System nicht führt, kann manche Menschenrechtsverletzungen verhindern. Aber sie kann zur Lösung des eigentlichen Problems nichts beitragen. Der Kampf um Menschenrechte, welches sich nicht mit den wahren Ursachen beschäftigt, wird stets zu kurz bleiben. Weil es keine Politik gibt, die unabhängig von der Ökonomie existiert, kann auch der Kampf für zivile Rechte kein Erfolg haben, wenn die Ausbeutungsverhältnisse nicht beachtet werden. Auch wenn es keine Erfolgschancen hat, so hat sie Chancen das System teilweise zu „legitimieren“... Es ist nicht möglich, bei dem Kampf gegen Unterdrückerstaaten bleibende Erfolge zu erzielen, wenn das Verhältnis zwischen den Unterdrückerstaaten und der Verteilung des nationalen wie internationalen Reichtums ausgeklammert wird. Wenn in einem Land die Einkommensverteilung stets ungerecht ist, die Massen in Armut gedrängt werden, braucht man sich darüber nicht zu wundern, dass der Staat die Berechtigten Reaktionen und Forderungen der Menschen mit Gewalt und Blutvergießen niederschlägt.
Das dritte Zivilgesellschaftsverständnis betrachtet das Problem von „Unten“, also aus der Klassenperspektive. Es ist ein Verständnis, das die Zivilgesellschaft in der Gesamtheit der sozialen Produktionsverhältnissen stellt. Woher kommen die gesellschaftlichen Ungerechtigkeiten und welche Quelle haben sie? Wie sehen die Hegemoniebeziehungen aus, die Ungleichheit produzieren und fortwähren lassen? Ist es überhaupt möglich, wenn auf der einen Seite die Gesellschaft auf der Basis der Ungleichheit und Ausbeutung steht, ohne die Kritik des Systemkerns, ohne die Umwandlung der Institutionen und der Schaffung alternativer Beziehungen, die „Herzen zu verändern“? Auch dieses Verständnis befasst sich mit den Ergebnissen, aber behält gleichzeitig die Ursachen in der Diskussion.
Derzeit wird von Zivilgesellschaft, von NGOs und ‚neuen sozialen Bewegungen’ sehr oft geredet. Eigentlich sind die sozialen Bewegungen keine neuen Phänomene. Die letzten 500 Jahre der Menschheitsgeschichte, ist die Geschichte der Sklavenaufstände, der Bauernaufstände, des Kampfes gegen Kolonialismus und imperialistische Offensive der einheimischen Völkern, aber insbesondere die Geschichte der Arbeiterklasse für die Überwindung des Kapitalismus, der sozialistischen Revolutionskämpfen, der Frauenbewegungen, die sich gegen die patriarchalischen Beziehungen erheben sowie der Friedensbewegung. Jetzt können wir uns der Frage widmen, warum jetzt die Aussagen von der Zivilgesellschaft und NGOs so populär sind.
Warum sind NGOs populärer geworden?
Wenn jemand angegriffen wird, wird der Angegriffene sich wehren. Mit dem Ende der langen Erweiterungsperiode des Kapitalismus nach dem Krieg und Beginn einer erneuten ‚strukturellen Krise’ ging das Kapital in die Offensive. Die neoliberale Ideologie entwickelte sich zur herrschenden Paradigma und den Errungenschaften der werktätigen Klassen, die in den letzten 150 Jahren erkämpft wurden, wurde der Krieg erklärt. Mit diesem Zweck wurde eine institutionelle Struktur und Funktion, die nur die engen Klasseninteressen des Kapitals berücksichtigt unter dem Namen „Deregulierung“ diktiert. Die Verschlankung des Staates bedeutet nur die Vergrößerung des Kapitals. Dennoch können diese Aussagen den durchschnittlichen Menschen täuschen. Es ist die Aussage von der Umwandlung des Staates, von einer unbeweglichen und zu teueren Gebilde zu einem, den Notwendigkeiten genügenden modernen Gebilde. Das war ein Angriff auf die Errungenschaften der werktätigen Klassen, aber es musste wissenschaftlich raffiniert dargestellt werden. Obwohl auch zu Zeiten dieser Errungenschaften die Armut, Ausbeutung und Ausgrenzung immer mehr zu nahm, (...) konnte die Deregulierung diesen Prozess nur stärken. In Zeiten der seit 1980 fortgeführten Deregulierung wurden Reiche reicher und Arme ärmer. Das ist das Ergebnis der, von der neoliberalen Paradigma diktierten Politik.
Die NGOs der neuen Zeit haben verschiedene Besonderheiten. Erstens, es sind Organisationen entstanden, die vorher nicht existierten. Die Umwelt und Ökologieorganisationen sind das beste Beispiel dafür. Die Umweltzerstörungen, als Ergebnis der kapitalistischen Plünderungen erhöhen das Planetenrisiko und bedrohen immer stärker das Leben und die Zivilisation. So schwer, dass wenn jetzt nicht entgegengesteuert werden sollte, eine Rückkehr nicht möglich sein wird. Die zweite Besonderheit ist de Suche der Menschen ‚sich selbst zu retten’, weil die Zahl derjenigen, die von der neoliberalen Politik und der imperialistischen Ausbeutung Marginalisiert werden, stetig wächst. Und drittens, die Erhöhung der Bereitschaft, nach Überwindung der Modernisierungs- und Wachstumsparadigma, alte Paradigmen (wie kulturalistische Bewegungen, Suche nach ethnischer Identität, religiöser Fundamentalismus, radikaler Nationalismus, faschistischer Populismus u.ä.) als Lösungsmöglichkeiten anzunehmen. Aber es gibt ein weiterer Grund: NGOs werden instrumentalisiert, damit die Diskussion über die neoliberale Zerstörung gehindert, die Idee, dass die Marktwirtschaft alle Probleme lösen kann suggeriert, die systemkritische Bewegung Wirkungslos gemacht und die Menschen zur ‚Alternativlosigkeit’ überredet werden können.
Mit der Instrumentalisierung der NGOs als Mittel der gesellschaftlichen Apolitisierung wird versucht, die Massenopposition gegen die neoliberale Offensive wirkungslos zu machen und die Widerstände gegen die Privatisierung zu verhindern. Solche NGOs werden mittelbar oder unmittelbar finanziell unterstützt. Daher müssten viele Organisationen hinterfragt werden, ob sie im wirklichen Sinne NGOs sind. Dass die staatlichen Finanzierungen nicht immer direkt erfolgen ist selbstverständlich. In der Regel werden die Mittel einer Stiftung oder einer anderen NGO überwiesen. Diese Stiftungen oder Organisationen finanzieren dann Stiftungen, Vereine, Kooperativen oder ‚Initiativen’, die instrumentalisiert werden sollen. Die Regel, „wer finanziert, der bestimmt“ gilt natürlich auch hier... Es wird sichergestellt, dass die Gelder zweckentsprechend, im Sinne der Geldgeber ausgegeben werden. Es wäre nicht übertrieben zu behaupten, dass NGOs in der Dritten Welt inzwischen die Aufgabe der früheren Missionäre übernommen haben und im Dienste des Kolonialismus, Imperialismus und des Neoliberalismus stehen. Es ist inzwischen auch so, dass die Entwicklungshilfe aus Steuergeldern nicht mehr an Staaten vergeben, sondern über NGOs der helfenden Staaten an die NGOs der geholfenen Staaten weitergegeben werden. Im Grunde genommen bedeutet dies die Privatisierung der Entwicklungshilfen. Denn so werden auch antistaatistischen neoliberalen Aussagen gerechtfertigt. Es wird behauptet, dass mit der Ausgrenzung des Staates die Hilfe direkt den Betroffenen zugute käme. (...) Die Hilfen, welche über die privaten Kanäle flossen stieg von 1 Milliarde Dollar in 1970 auf 7,2 Milliarden Dollar in 1990... Die Weltbank geht mehr und mehr auf die Hilfeleistung über NGOs über. Der Geldtransfer über NGOs hat meistens die Funktion, Märkte für internationalen Konzerne zu öffnen und somit die Abhängigkeit und Ausbeutung zu vertiefen. Es gibt auch einige NGOs, die in der Lage sind nachrichtendienstliche Aufgaben zu übernehmen.
Natürlich erhalten die NGOs der Dritten Welt auch nichtstaatlichen Hilfen. Doch der Gutwille kann bei der Problemlösung nicht wirksam sein. Manchmal sind sogar Hilfen, die keineswegs Suspekt sind, problematisch. Nehmen wir als Beispiel die Hilfe einer sozialdemokratischen Stiftung aus Europa an. Diese Stiftung finanziert Projekte einer sozialdemokratischen Stiftung in Afrika. Das ist nichts anderes als, die eigene Position den Afrikanern zu diktieren und im Endeffekt eine negative Beeinflussung. Denn in Afrika gibt es keine Voraussetzungen für eine Sozialdemokratie.
(...) Während mit der Aussage von der Zivilgesellschaft und NGO versucht wird, die Reaktion der Massen gegen das System zu „entkräften“ und mit der Verbreitung der Meinung „die Marktwirtschaft hätte keine Alternative“, die Gesellschaft zu „apolitisieren“, wird auf der anderen Seite der Eindruck der „Beteiligung“ erweckt. So will man suggerieren, als ob die Mehrheit des Volkes die durchgeführte Politik mitbestimmt hätte. Nicht umsonst versucht man der Öffentlichkeit weiß zu machen, „die Regierenden würden sich die Meinung der zivilgesellschaftlichen Kräfte anhören und mit ihnen diskutieren“... Dabei hilft die Tatsache, dass diejenigen, die Verlierer des kapitalistischen Systems sind, nicht direkt einen, sie ausbeutenden Kapitalisten sehen. Das marxsche „soumission formell“ gilt nicht überall. Jede und Jeder, der Bauer in dem entlegensten Dorf, der Handwerker, die ausgegrenzten Slumbewohner, die Arbeitslosen usw., ist dem Druck der Märkte unterworfen... aber sie können denjenigen, der sie ausbeutet nicht konkret sehen... Und diese Situation hat zur Folge, dass es schwierig ist, dass die Menschen ihre Situation begreifen und sich bewusst machen können.
Was ist also zu tun?
Zu erst ist es notwendig, eine ideologische Klarheit darüber zu finden, ob diese Organisationen die wahren Organisationen der „Verdammten der Erde“ sind oder, Organisationen, die von den herrschenden Kreisen manipuliert werden. Es ist notwendig, dass Organisationen, die Systemkritisch sind und das System überwinden wollen, unterstützt werden und nicht diejenigen, die das System legitimieren. Eine solche Bewegung der Zivilgesellschaft muss über „organische Intellektuelle“ verfügen, die das Geschehene bewusst machen und in jeder Phase die Perspektive bestimmend, den Weg der Bewegung ebnen. Eine Bewegung, die über keine Intellektuellen verfügt, hat keine Erfolgschancen. Bewegungen, die sich das Ziel gesetzt haben, vorhanden Ausbeutungsbeziehungen zu überwinden, etwas neues zu schaffen und für eine andere gesellschaftliche Ordnung kämpfen wollen, können ohne Intellektuelle, die auf höherer Ebene über eine kritische Bewusstsein verfügen, nicht Erfolgreich sein. Denn eine wahre progressive Bewegung kann nur Erfolg haben, wenn sie eine utopische Vision hat. Der Intellektuelle formuliert die Utopie und trägt dazu bei, dass die Massen dies akzeptieren und verstehen.
In der Geschichte gibt es keine Bewegung ohne Utopie, die der Menschheit zum Fortschritt geholfen hat. Eine Organisation der Zivilgesellschaft als Mittel des Kampfes des unterdrückten, ausgebeuteten Volkes, muss dem Vorhandenen eine Alternative bieten und das macht das politische Engagement notwendig. Eine Organisation der Zivilgesellschaft, welche die Politik nicht als wichtig sieht, wird keine Erfolgschancen haben. Daher müssen NGOs sich in einen politischen Kampf begeben, der auch den Alltag der Menschen engagiert. Eine weitere Notwendigkeit ist, die Entwicklung und Verinnerlichung von gleichberechtigten, freiheitlichen, solidarischen Beziehungen und deren Umsetzung als lebendige Elemente des Alltags... Letztendlich muss jeden Bewegung sich mit den Bewegungen der Welt vernetzten und so ein globales Wesen werden. Anderenfalls wird es nicht möglich sein, dass in Bereichen und Geographien isolierte kleine Bewegungen Veränderungen herbei führen und etwas Neues, Originelles schaffen können. Den globalen Angriffen muss auf globaler Ebene Widerstand geleistet werden. Aber das erfordert das Vorhandensein auf der regionaler Ebene und die Vernetzung auf der globalen Arena. Aus diesem Grund ist es zuerst notwendig, dass in der Aussage Zivilgesellschaft bzw. NGO die ideologischen Wirren beseitigt werden...
Übersetzung: Murat Çakır