Haziran 2003 / Juni 2003
Islamische Gemeinschaft Milli Görüş e.V. (IGMG)
Wenn in der Bundesrepublik von türkischen Islamisten die Rede ist, dann muß zweifelsohne die IGMG als stärkste Gruppierung zuerst genannt werden. Die IGMG kann un-bestreitbar als die Europaorganisation der Fazilet (Tugend) Partei angesehen werden. Der frühere IGMG - Vorsitzende Osman Yumakoğulları ist derzeit Abgeordneter der Fazilet Partei im türkischen Parlament. Vor dem Verbot der Refah Partei war er dessen Mitglied. Sein Nachfolger bei der IGMG, Ali Yüksel kandidierte 1994 bei den allgemeinen Wahlen in Antalya auf der Liste der Refah Partei, konnte jedoch nicht gewählt werden.
Die IGMG ist am 3. Juni 1995 in Frankfurt am Main durch Neugliederung aus der im Mai 1985 gegründeten AMGT (Vereinigung der neuen Weltsicht in Europa) hervorgegangen. Am gleichen Tag wurde als Nachfolgeorganisation die Europäische Moscheebau- und Un-terstützungsgemeinschaft (EMUG) gegründet. Während die EMUG die Verwaltung des umfangreichen Immobilienbesitzes der ehemaligen AMGT im Wert von rund 100 Millionen DM übernahm, fiel die „Betreuungsarbeit“ der AMGT Mitglieder der IGMG zu.
Auch wenn der IGMG keine rechtlichen Verbindungen zu der Fazilet Partei nachgewiesen werden können, so ist sie dennoch ein Sammelbecken für Anhänger dieser Partei und fungiert als dessen Auslandsorganisation. Wie in der Vergangenheit traten in den Jahren 1998 und 1999 bei zahlreichen Veranstaltungen der IGMG stets hochrangige Vertreter der Fazilet Partei auf und forderten die Unterstützung ihrer Partei durch IGMG - Mitglieder.
In der Bundesrepublik verfolgt die IGMG eine Politik, die scheinbar offen und dialogbereit aussieht. Insbesondere in Publikationen und Veröffentlichungen in deutscher Sprache wird ein moderater Ton angeschlagen. Zudem wissen die IGMG Kader sehr gut die anti-rassistische Terminologie zu benutzen. Diese Taktik wird im besonderen gerne ange-wandt, wenn sie sich einer Kritik ausgesetzt sehen. Jegliche Kritik an der Verbandspolitik und der Ideologie der IGMG wird als »rassistischer Hetzbericht, der das Klima zwischen Muslimen und Deutschen vergiften möchte«, diffamiert. Getreu dieser Taktik wird die kritische Berichterstattung über die IGMG als »völker- und integrationsfeindlicher pauschaler Angriff des Eurorassismus auf den Islam« bezeichnet.
Wie sehr „antirassistisch“ die IGMG jedoch ist, wird bei der Durchsicht ihrer türkisch-sprachigen Publikationen deutlich. Obwohl die IGMG ihren offenen Antisemitismus auf-grund des Drucks der Verfassungsschutzbehörden kaschieren konnte, werden mit Videokassetten und Büchern, die von den IGMG Buchländen vertrieben werden, sowie von der verbandsnahen Tageszeitung MILLI GAZETE offen hetzerischer Antisemitismus betrieben. So lautet beispielsweise eine Passage in der MILLI GAZETE von 21. Januar 1994 : »Ein Jude unterscheidet sich von dem Satan durch nichts. Wer von dem Satan Erbarmen oder eine Wohltat erwartet, ist dumm. Die Juden sind die Quellen der bösen Taten, die sich nicht nur gegen das Volk Palästinas, sondern auch gegen die ganze Menschheit richten ... Hinter allen üblen Ideen und Ideologien, die heute die ganze Welt erfaßt haben, stecken die Zionisten. Dieses Pack, welches dermaßen charakterlos ist, daß es zwecks Wahrung der eigenen Interessen die ganze Menschheit opfern würde, wirft jetzt ein Auge auf das Wasser unserer Flüsse«.
Auch führende IGMG Vertreter und bei IGMG Veranstaltungen auftretende Abgeordnete der Fazilet Partei stehen bei ihren öffentlichen Äußerungen dem Jargon der MILLI GAZETE in nichts nach. So wie ein Fazilet Abgeordneter vor IGMG Publikum im April 1998 : »Die Regierungen sind nicht die Führer, sondern die Zionisten. Sie haben die Macht in unserem Land. Gegen die Macht der Juden haben wir gegen gesteuert, in dem wir die D - 8 gründeten. Nachdem wir den jüdischen Einfluß angeprangert und Gegenmaßnahmen getroffen haben, stürzte man die Refah Regierung ... Es scheint, als ob die Amerikaner den EU Beitritt der Türkei befürworten. Auch dies ist nur ein Spiel. Dahinter steckt die jüdische Lobby in den USA ... Die türkischen Medien greifen Deutschland an und machen die deutsche Politik in Bezug auf die doppelte Staatsangehörigkeit für Türken sowie Rassismus in Deutschland und die deutsche Einstellung zur PKK dafür verantwortlich ... Wir glauben, daß die Juden dahinterstecken. Auch sind wir der Ansicht, die Juden haben die Häuser von Türken in Deutschland angesteckt, um Deutschland zu schaden. Vermutlich wollen die Juden auf diesem Wege die Vergangenheit mit den Türken rächen«.
Mit einer solch üblen Antisemitismus baut die IGMG Feindbilder auf und propagiert die Machtergreifung in der Türkei. Während die IGMG mit gespieltem »Dialogbereitschaft« und »politisch korrektem« Auftreten sich als Ansprechpartner für den Islam in der Bundes-republik etablieren versucht, ruft sie die Muslime in der Bundesrepublik zur Desintegration auf. Jegliche Integrationsbemühungen werden von ihr als »die Religionsfreiheit einschränkende Assimilationsversuche« diffamiert. In ihren Veröffentlichungen fordert die IGMG die strikte Trennung von muslimischen und nichtmuslimischen Kindern, weil »die westliche Welt sittlich verdorben und korrupt« sei .
Ihr offener Antisemitismus und ihre Ablehnung gegenüber westlichen Demokratien scheinen für den Etabilierungsversuch der IGMG in Europa kein Hindernis darzustellen. Im Gegenteil, die Möglichkeiten der bürgerlich liberalen Demokratien Westeuropas stellen für die Islamisten der IGMG eine politische Plattform dar, mit deren Hilfe sie die in der Türkei heftig umstrittenen und durch wiederholte Verbote erschwerte Propagandatätigkeit durchführen können. So wurden in einigen Städten Europas Protestveranstaltungen gegen die Einführung der achtjährigen Schulpflicht in der Türkei durchgeführt. Diese Proteste waren ein weiteres Beleg dafür, daß das Hauptaugenmerk der IGMG der türkischen Innenpolitik und der Unterstützung der Fazilet Partei gilt und keineswegs dem Anliegen türkeistämmiger oder anderer Muslime in der Bundesrepublik.
Die Organisationsstruktur der IGMG ist entsprechend diesem Ziel und ihrem Anspruch »in Namen des Islams zu sprechen« streng hierarchisch nach dem Prinzip von Befehl und Gehorsam aufgebaut. Die straff geführte Organisation vermittelt Außenstehenden über die innerverbandlichen Meinungsbildungsprozesse und interne Strukturen nur unzureichende und teilweise irreführende Angaben.
Der Europazentrale der IGMG in Köln (obwohl der Verband im Vereinsregister in Bonn eingetragen ist) sind als regionale Organisationseinheiten sogenannte Gebietskomitees bzw. Gebietsverbände nachgeordnet. Die Gebietskomitees sind der Zentrale für die ordnungsgemäße Durchführung ihrer Weisungen in den örtlichen Vereinen verantwortlich. Die Vorstände der örtlichen Vereine werden nicht von den Mitgliedern der Vereine gewählt, sondern von der Zentrale ernannt und bei Bedarf abberufen.
Die IGMG hat weltweit 34 Gebietskomitees und 463 Moscheegemeinden in Europa. Die Gesamtzahl der Mitgliedsorganisationen wird mit 1022 angegeben. Von der Zentrale werden somit europaweit 544 Jugendorganisationen, 53 Studentenorganisationen, 339 Frauenorganisationen und 137 Arbeiter-, Sport- und Elternvereine kontrolliert. Nach eigenen Angaben verfügt die IGMG allein in der Bundesrepublik über 15 Gebietskomitees mit 274 Moscheegemeinden. Laut der Studie „Türkische Muslime in Nordrhein Westfalen“ erstellt von dem Zentrum für Türkeistudien, Essen wird die Zahl der Mitglieder europaweit mit 57.048, der Gemeindemitglieder mit 161.536 und der regelmäßig Beitrag zahlenden Mitglieder mit 8.750 angegeben . Auch die Angaben über Mitgliederzahlen belegen die irreführende Öffentlichkeitsarbeit der IGMG. Während dem Zentrum für Türkeistudien die-se besagten Mitgliederzahlen »offenbart« wurden, berichtete die MILLI GAZETE am 9. Juni 1995 über 42.255 zahlende IGMG Mitglieder. Laut dem Verfassungsschutzbericht NRW belief sich jedoch die Mitgliederzahl der IGMG im Jahre 1998 bundesweit auf 26.500. Welche Zahl auch stimmen mag, muß davon ausgegangen werden, daß die IGMG über eine Anhängerschaft von 40.000 bis 50.000 Personen (Mitglieder und deren Familien) verfügt.
Mit ihren örtlichen Vereinen bietet die IGMG neben dem Infrastruktur zur Religionsausübung , auch ein breitgefächertes Angebot auf kulturellem, sozialem und pädagogischem Gebiet. Mit verschiedenen Veranstaltungen, Kursen für Frauen, Koranlesewettbewerben für Kinder, Hausaufgabenhilfen sowie mit Computer- oder Sprachkursen wird versucht, die Moscheebesucher an sich zu binden. Dazu gehören auch Fußballmannschaften oder Rin-gervereine. Durch diese Angebote, die durchaus für viele türkeistämmigen Muslime anziehend sind, will die IGMG ihren Einfluß zwischen den Muslimen ausweiten. Dabei werden gezielt Frauen, Kinder und Jugendliche angesprochen.
So existiert beispielsweise im Bereich der IGMG Frauengruppen eine Handlungsanweisung für Strategien und Methoden, die (wie sie in der Türkei von Frauengruppen der Fazilet Partei angewandt werden) bei Hausgesprächen umgesetzt werden sollen . Neben gezielten Hinweisen auf die Gesprächsvorbereitung und Gesprächsführung wird u. a. aus-geführt, daß für Personen, die an den Hausgesprächen teilnehmen, Mitteilungen vorbereitet und verteilt werden können. Weiter wird den Gesprächsleiterinnen ausdrücklich empfohlen, derartige Gespräche in Wohnungen von Sympathisanten zu führen und »allen Menschen und Familien unsere Mission darzulegen«.
In einer anderen Handlungsanweisung für Führungskräfte heißt es u. a. : »Die Befehlsgewalt stellt das Nervensystem der Organisation dar. Die Gemeinschaft (sprich: die IGMG) ist ein Mittel, daß dem Ziel dient, die Gesellschaft zu islamisieren. Jeder Glaubenskämpfer in der IGMG muß wissen, daß die kleinste Stufe des Heiligen Krieges der aufrichtige Groll gegen unislamische Maßstäbe und die höchste Strafe des Heiligen Krieges das Opfer von Gut und Leben für Allah ist ... Unsere Intention besteht darin, weltweit die gerechte Ord-nung an die Macht zu bringen«.
Eben für diese »gerechte Ordnung« sollen die türkeistämmigen Jugendlichen indoktriniert werden. Weil westliche Demokratien »in Wahrheit einen Angriff auf die Religion be-deuten« und die universellen Werte der Demokratie »den nationalen und moralischen Werten der türkischen Muslime nicht entsprechen«, müsse »den Assimilationsversuchen die national religiöse Erziehung die Stirn bieten«. So baut die IGMG, im Gegensatz zu ihrem »offenen« und »dialogbereiten« Auftreten in der Öffentlichkeit, nach Innen die pluralistisch säkulare Gesellschaft als Feindbild auf. Mit ihrer Propaganda suggeriert die IGMG, daß die Nähe zu der verderbten westlichen Gesellschaft zum Verlust der islamischen Identität führe und betreibt so systematisch die Spaltung zwischen der Mehrheitsgesellschaft und der muslimischen Zuwanderer.
Das Finanzimperium der IGMG
Die IGMG verfügt über eine mehr als solide zu bezeichnende ökonomische Grundlage. Die Haupteinnahmequellen sind, neben den Mitgliedsbeiträgen und Spenden, in erster Linie unternehmerische Tätigkeiten. Die propagierte »islamische Lebensweise in der Fremde« erfordert die Befriedigung der kultur- und religionsspezifischen ökonomischen Bedürfnisse. Eigens in den Gebäuden der örtlichen Moscheevereine eingerichtete Lebensmittelgeschäfte verkaufen »nach islamischem Recht« zubereitetes Fleisch (Helal Schlachtung) und andere Lebensmittel. Laut den Aussagen einiger in Dortmund ansässiger türkeistämmigen Unternehmer soll der Dortmunder Obst- und Gemüsemarkt fest in islamistischer Hand sein. Auch die Belieferung der örtlichen Lebensmittelgeschäfte wird von der Zentrale mittels der Selam GmbH (und anderen Firmen aus Belgien und Niederlande) kontrolliert. Sei es mit Buchläden, Bekleidungsgeschäften für sogenannte keusche (Türkisch: Tesettür) Bekleidung, Reisebüros, Pilgerorganisationen oder mit Überführungsfirmen für Verstorbene; kein unternehmerischer Bereich wird vernachlässigt. Immerhin wächst der stets mit Propaganda gepflegte „islamische Markt“ von Tag zu Tag.
Die IGMG spielt zugleich für das »islamistische Kapital« der Türkei eine bedeutsame Rolle. Insbesondere bedient sich das sogenannte »islamische Finanzkapital« immer öfter der Dienste der IGMG. Kapitalanlagegesellschaften oder Banken wie die Arap Türk Bankasi und Al Baraka Türk sowie Versicherungsgesellschaften wie die Islamic Takafol Com-pany offerieren ihre »islamischen Beteiligungsangebote« ohne Zinsen, jedoch mit Anteilsgewinnen in den örtlichen IGMG Vereinen. Die Verbandszeitschrift MILLI GÖRÜS und die Tageszeitungen TÜRKIYE und MILLI GAZETE dienen als Werbeträger.
Aber auch Beteiligungsgesellschaften haben diesen ertragreichen und relativ unkomplizierten Markt für sich entdeckt . Am Beispiel des Kombassan Holding A. S. (AG nach türkischem Recht) kann das Finanzgebaren dargestellt werden.
Die Kombassan Holding ist einer der größten islamistischen Unternehmungen in der Türkei. Sie ist inzwischen in fast allen wirtschaftlichen Bereichen mit einer Unternehmung vertreten. Ihren Finanzbedarf deckt die Kombassan Holding neben zinsgünstigen Staatskrediten und Subventionen, ausschließlich aus Beteiligungsofferten »nach islamischem Recht«. Die Anhängerschaft der Fazilet Partei ist dabei das Hauptpotential ihrer Offerten.
So auch in Europa. Die türkischen Zeitungen berichten, daß die Kombassanvertretungen von den IGMG Funktionären in Personalunion geführt werden. Informierten Kreisen zufolge soll z. B. der Europavertreter der Kombassan Holding, Ali Balaoğlu, zugleich ein führender Funktionär der IGMG in Belgien sein. Die örtlichen Moscheevereine der IGMG dienen der Kombassan Holding als Einzahlungsstellen für Aktien- und Beteiligungspaketverkäufe. Durch Bareinzahlungen werden naive Gläubige zu Aktionären der Kombassan Holding gemacht. Als Beleg hierfür dient eine sogenannte »Einzahlungsquittung«, die keinerlei rechtliche Bedeutung hat. Durch diesen Aktienhandel wird das Börsenrecht der Bundesrepublik quasi ad absurdum geführt. Und dies alles vor den Augen der bundes-deutschen Behörden.
Dabei gibt es wie in dem Fall der JET PA, dessen Umtriebe in der Bundesrepublik staatsanwaltliche Ermittlungen nach sich zogen viele Möglichkeiten, die illegale Betätigung der Kombassan Holding zu beweisen und rechtliche Schritte einzuleiten. Dabei sollte beispielsweise das Geschäftsgebaren der mit über 100 Millionen DM verschuldeten Fluggesellschaft Alfa Air, dessen Eigner die Kombassan Holding ist, näher untersucht werden. Oder der Fall eines in hier ansässigen IGMG Funktionärs. Dieser Herr beteiligte sich an der Kapitalerhöhung der Kombassan Holding mit einigen Millionen DM, obwohl er zu
dieser Zeit als »Sozialhilfeempfänger« angemeldet war. Es wäre nicht nur für deutsche Gerichte interessant herauszukriegen, aus welchen oder wessen Quellen diese Millionenbeträge fließen.
Genauso wäre es interessant der von Nils Feindt Riggers aufgestellten Behauptung nachzugehen. Er schreibt: »Weitere wichtige Einnahmequellen für die beiden türkischen Organisationen IGMG und VIKZ (Verband der Islamischen Kulturzentren) stellen Finanzzuwendungen aus dem Ausland, vornehmlich aus islamisch geprägten Staaten dar. Diese Staaten beabsichtigen auf diese Weise, ihren politischen Einfluß in der islamischen Szene zu wahren« . Obwohl mir persönlich keine Belege über eine finanzielle Unterstützung dieser Organisationen aus den islamischen Ländern vorliegen, bin ich der festen Überzeugung, daß die IGMG und die VIKZ solche ausländischen Zuschüsse erhalten bzw. erhalten haben. Diesen Verdacht stützt auch die Äußerung eines ehemaligen IGMG - Imams aus Kassel. Laut den Äußerungen von Mehmet Bilgiç soll die IGMG mehrere Jahre lang von Kuwait finanzielle Zuschüsse erhalten haben, die jedoch während des Golfkrieges einge-stellt worden sind. Auch andere Quellen berichten über Zuwendungen aus Libyen und Saudi Arabien. Zur Wahrung welcher Interessen sei dahin gestellt, aber dieser Anfangs-verdacht der wahrscheinlich deutschen Behörden nicht unbekannt ist sollte für eine rechtliche Ermittlung von Amtswegen ausreichen.
Meines Erachtens sollten diese Ermittlungen auch die dubiosen Spendenaktionen der IGMG einbeziehen. Der Fall des Refah Finanziers »MERCÜMEK«, der wegen Verun-treuung von Bosnienspenden in der Türkei strafrechtlich verfolgt wurde, sollte Grund genug sein. Bei den zahlreichen Spendenaktionen der IGMG, die anläßlich des islamischen Opferfestes oder anderer islamischen Feiertage und während den islamischen Trauungen durchgeführt werden oder bei den Spendensammlungen für Erdbebenopfer in der Türkei, für Bosnien, Kosovo und Tschetschenien, kommen Millionen DM zusammen, die in suspekten Kanälen versickern. Die Öffentlichkeit hat ein berechtigtes Interesse an der Aufklärung des Verbleibs dieser Summen. Auch dies dürfte ein Fall für den Bundesstaatsanwalt sein.
Gerade der Umgang mit Spendengeldern wirft verschiedene Fragen auf. Weil die IGMG nicht als gemeinnützig anerkannt ist, werden Spendenkonten der Islamischen Union Eu-ropa e.V. (IUE), die Vorläuferorganisation der AMGT und IGMG, für Spendenzwecke benutzt. Obwohl die IUE seit Jahren keine Vereinsaktivitäten entwickelt, wird sie weiterhin als gemeinnützig anerkannt. Eine höchst suspekte Angelegenheit, weil gerade die deutschen Finanzbehörden sich bei der Anerkennung der Gemeinnützigkeit von Migrantenorganisationen stets als penibel bewiesen haben. Zahlreichen Vereinen und Verbänden wurde we-gen Fehlens auch sonst unwichtiger Unterlagen sehr schnell die Gemeinnützigkeit aberkannt. Hier sei die Frage erlaubt, warum einem Verein wie IUE, der keinerlei Vereinsaktivi-täten nachweist, die Gemeinnützigkeit nicht aberkannt wird. Es ist ferner bekannt, daß die IGMG über die IUE die Unterstützung der Fazilet Partei und der »befreundeten Organisationen« in Afghanistan, Aserbaidschan, Bosnien, Tschetschenien und anderen Ländern abwickelt.
Als eine weitere Spendensammelstelle dient die 1992 in Freiburg gegründete Interna-tionale Humanitäre Hilfsorganisation e.V. (IHH). Insbesondere in dem Erdbebengebiet der Türkei konnte 1999 die »Humanität« der Milli Görüs Organisationen gemessen werden. Tageszeitungen und Nachrichtensender verbreiteten die Bilder, in denen zu sehen war, wie die »Milli Görüs Helfer« Frauen ohne Kopftuch die Herausgabe von Hilfsgütern verweigerten. Soviel zur »Humanität« der Milli Görüs.
Diese ganzen Verflechtungen, das Finanzgebaren, die Unter- und Nebenorganisationen und das Schicksal der Spendengelder dürfte unseren Behörden und Ämtern nicht ganz unbekannt sein. Auch der türkische Staat hat Kenntnis davon. Daher stellt sich die Frage, warum die Regierungen der Bundesrepublik und der Republik Türkei diesen Umtrieben tatenlos zusehen. Welche Interessen sollen dadurch gewahrt bleiben? Warum der türkische Staat nicht handelt, kann ich aus mir bekannten Gründen nachvollziehen. Aber warum handelt die Bundesregierung nicht?
Die Strategie der IGMG
Bei dem Versuch sich als Ansprechpartner für Regierungen und Behörden zu etablieren, werden andere »unbelastete« Organisationen eingeschaltet und es wird versucht über diese, politischen Einfluß geltend zu machen. Dazu werden auch juristisch von der IGMG unabhängige Nebenorganisationen eingesetzt. Zu diesen Nebenorganisationen gehört beispielsweise die von der Erbakan Schwägerin, Amine Erbakan geführte Deutschsprachige Islamische Frauengemeinschaft (DIF). Die DIF wiederum gründete 1995 in Köln das Institut für internationale Pädagogik und Didaktik (IPD). Ein weiteres von der IGMG initiiertes Institut ist das Zentrum zur Erforschung von Sozial- und Wirtschafts-ordnungen e.V. (ZESW) in Köln, das bis Oktober 1996 von dem ehemaligen stellvertre-tenden Generalsekretär der IGMG und jetzigen Islamratsvorsitzenden Hasan Özdoğan geleitet wurde. Auch der Verband muslimischer unabhängiger Industrieller und Un-ternehmer e.V. (MÜSIAD) in Köln wurde bis 1993 von Hasan Özdoğan geführt. Hasan Özdoğan gründete zwischen durch auch mit einigen Vertretern der Scientology Organi-sation eine Firma, die jedoch aufgrund negativer Schlagzeilen in der Presse nicht aktiv wurde. Unabhängig davon fanden in der IGMG Europa Zentrale in Köln verschiedene Seminare der Scientology Organisation statt. Die IGMG ist zudem in dem Rat der Türkischen Staatsbürger (RTS) auf den ich am Ende dieses Kapitels näher eingehe maßgeblich beteiligt.
Die wichtigsten Organisationen, mit deren Hilfe die IGMG ihren Einfluß geltend machen kann, sind der Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland und das eng mit ihm zu-sammenarbeitende Zentralinstitut Islamarchiv Deutschland. Vorsitzende beider Organisationen sind IGMG Funktionäre. Der Islamrat wurde im November 1986 gegründet. Seit Herbst 1996 ist Hasan Özdoğan dessen Vorsitzender. Seit 1993 gibt es zudem das Amt des »Scheich ul Islam des Islamrates«. Seine bisherigen Amtsinhaber sind: der seiner-zeitige IGMG Vorsitzender Ali Yüksel (1993 1995) und Şükrü Bulut (seit 1995) .
Der Islamrat versteht sich »als gemeinsame Gesprächsebene, Koordinierungsinstanz und als gemeinsames Beschlußorgan der Vertragschließenden Gemeinschaften«. In dieser Funktion erhebt sie den Anspruch »ein Gesprächspartner gegenüber dem Staat, den Parteien und anderen gesellschaftlichen Gruppen« zu sein. Das Landesamt für Verfassungsschutz NRW bezeichnet den Islamrat als eine Organisation, in der sich verschiedene nicht extremistische islamische und islamistische Organisationen zusammen geschlossen haben. Doch bei näherem Hinsehen wird deutlich, daß der Islamrat ausschließlich von der IGMG kontrolliert wird und deshalb als eine islamistische Organisation bezeichnet werden muß. Denn 14 der 23 Mitgliedsorganisationen des Islamrats sind entweder direkte IGMG Organisationen oder von der IGMG initiierte Nebenorganisationen wie das Zentrum für Erforschung von Sozial- und Wirtschaftsordnungen e. V. in Köln. In der Zusammensetzung der Mitglieder hat die IGMG die absolute Mehrheit im Islamrat.
Dies wird getreu der Verschleierungstaktik der IGMG bewußt verheimlicht. Dadurch ist den Gesprächspartnern in Ministerien, Parteien oder Kirchen nicht immer klar, daß hinter einer scheinbar renommierten Einrichtung eigentlich die IGMG steht. So auch beispielsweise im Willy Brandt Haus in Berlin. Am 30. September 1999 veranstaltete dort der Islamrat eine Diskussionsveranstaltung unter dem Titel »Die Perspektiven des Islam in Deutschland und Integration«. Die türkische Tageszeitung HÜRRIYET berichtete am 6. Oktober 1999 über die Veranstaltung. Laut diesem Bericht (mit einem Fotountertitel: Gebete im Willy Brandt Haus) soll einem türkischen Journalisten der Eintritt gewaltsam verwehrt worden sein. Nach Aussage des Fernsehjournalisten von AYPA TV, Ali Yıldırım, soll Hasan Özdoğan ihn mit den Worten »Unruhestifter, hinterlistiger, radikaler, religionsloser Alewit« attackiert haben. Der HÜRRIYET gegenüber erklärte Hasan Özdoğan: »Unser Ziel ist, die Wege zu erforschen, wie die Muslime in diese Gesellschaft integriert werden kön-nen und dies zu verwirklichen. Während wir diesen Tätigkeiten nachgehen, kommen welche die uns dabei hindern wollen. Das können wir diesen Dialogfeinden nicht erlauben«.
Das ist der Umgang einer scheinbar renommierten und »dialogbereiten« Einrichtung mit kritischen Journalisten. Mit gespieltem Dialogbereitschaft und sogenannten Integrationsdiskussionen hat die IGMG es geschafft, in Teilen der Politik und der Kirche sich Gehör zu verschaffen. Daß sie damit ihr Ziel, ein politisches Plattform für ihre Ideologie zu gewinnen im Auge hat, ist unbestreitbar.
Die internationalen Verbindungen der IGMG belegen ihr wahres Gesicht. Die IGMG pflegt auch Verbindungen zu anderen islamistischen Gruppen, insbesondere zu der multi-nationalen Muslimbruderschaft, der algerischen Islamischen Heilsfront (FIS) und der palästinensicher HAMAS. Darüber hinaus bestehen die besten Kontakte zu dem libyschen Revolutionsführer Muammar Gaddafi, zu dem Führer der Nationalen Islamischen Front in Sudan, Hassan Al Turabi und zu Repräsentanten der Islamischen Republik Iran.
Den informierten Kreisen zufolge finden international gesuchte islamistische Terroristen in den IGMG Organisationen Unterschlupf. Beispielsweise gehen die Funktionäre der FIS in IGMG Organisationen ein und aus. Das Bundesamt für Verfassungsschutz behauptet, daß der Führer der FIS Auslandsorganisation, Rahab Kebir, in den IGMG Organisationen als »Religionslehrer« beschäftigt ist. Mehmet Erbakan (seines Zeichens Neffe des Islamistenführers Necmettin Erbakan), Generalsekretär des IGMG, bestätigt dies . Dennoch werden von den bundesdeutschen Behörden nichts dagegen unternommen.
Diese internationalen Beziehungen und die Tätigkeiten in der Bundesrepublik dienen dem ehrgeizigen Ziel der Milli Görüş Bewegung: die Übernahme der Meinungsführerschaft innerhalb der sunnitisch islamistischen Strömungen. Das ist auch der eigentliche Grund, warum der von der IGMG geführte Islamrat und der von der VIKZ beeinflußte Zent-ralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) in der Vergangenheit öfters aneinander geraten sind. Inzwischen wird wieder kooperiert und es existiert ein gemeinsames »Koordinierungsausschuß« von Islamrat und ZMD, der vor allem die Interessen von IGMG und VIKZ stärker in den Vordergrund transportieren soll.
Es kann zusammenfassend konstituiert werden, daß die IGMG gemeinsam mit der Fazilet Partei und ihrem immensen finanziellem Potential ihr politisches Gewicht innerhalb der islamistischen Kräfte am besten einsetzen kann. Die IGMG ist auf dem besten Weg, die Meinungsführerschaft zu übernehmen. Ihre Offenheit und Dialogbereitschaft sind nur Teil einer Maske für die Anerkennung ihrer Ansprüche durch den bundesdeutschen Staat. Dies muß entlarvt und der IGMG muß Einhalt geboten werden.