Wer kennt sie nicht, die Landkarten von Europa auf denen versucht wird, mit monströsen Pfeilen Wanderungsströme grafisch darzustellen. Sie scheinen sagen zu wollen, dass die halbe Welt ihr Bündel packt und nach Europa einwandern möchte. Die Motive der Menschen ihre Herkunftsländer zu verlassen, um in Europa ihr Glück zu versuchen, sind dabei so unterschiedlich wie die Möglichkeiten selbst, in Europa ein Bleiberecht zu erlangen.
Keine einheitliche Migrationspolitik auf EU-Ebene
Eine einheitliche Politik auf EU-Ebene ist vorerst nicht in Sicht. Und es ist auch gar nicht möglich, nach EUropa einzuwandern; man wandert immer in ein Mitgliedsland ein. Eine europaweite Ausländer- und Migrationspolitik gibt es trotz des Schengener Abkommens und der innereuropäischen Freizügigkeit nicht, und es sieht auch nicht danach aus, dass die Mitgliedsländer diese Kernkompetenz so bald an Brüssel abgeben werden.
Eine besser gesteuerte und zugleich offenere Ausländerpolitik, so Prof. Kay Hailbronner, Europarechtler von der Uni Konstanz, ist aber nur im europäischen Rahmen möglich. Denn die Europäische Union habe praktisch auf allen Gebieten des Ausländer- und Asylrechts eine Rechtsetzungskompetenz.
Europaweiter Wettbewerb um die besten Köpfe
Allerdings sind die nationalen Empfindlichkeiten und Vorbehalte beim Thema Zuwanderung zu stark. Dabei sehen sich die EU-Länder vor ähnlichen Herausforderungen. Der Bedarf sowohl an Software-Entwicklern in den Hightech-Branchen als auch an billigen Hilfskräften in der Bau- und Landwirtschaft sowie im Dienstleistungssektor ist überall gleichermaßen hoch. Diese Nachfrage kann derzeit nur dadurch befriedigt werden, dass viele Wirtschaftsunternehmen größere Mengen illegaler Einwanderer beschäftigen. Und das trotz einer EU-Arbeitslosenquote bei etwa 9%, was einer Anzahl von 15 Millionen Menschen ohne Beschäftigung entspricht.
Rechtlos werden sie jedoch von Polizei und Politik als Kriminelle verfolgt, während sie volkswirtschaftlich bereits ein unverzichtbarer Bestandteil geworden sind. Länder wie Spanien haben auf solche Zustände reagiert und erst im vergangenen Jahr 150.000 illegalen Zuwanderern durch eine Sonderregelung zu einer Aufenthaltserlaubnis verholfen. Auch Frankreich und Italien kennen Stichtagsamnestien für Illegale. Ziel dabei ist es, sie statistisch erfassbar zu machen und das kriminelle Milieu auszudünnen. In Deutschland läuft die Diskussion über ähnliche Modelle auf kleinster Flamme.
Zuwanderer als Ersatz für sinkende Geburtenraten?
Auch in anderen Bereichen kommt man in Zukunft kaum an einer gesteuerten Immigrationspolitik vorbei. Die westlichen Industrienationen sehen sich seit Jahren mit stagnierenden oder gar abnehmenden Geburtenraten konfrontiert. Die volkswirtschaftlichen Folgen dieses Bevölkerungsschwundes auf soziale Netze, Wohlstandsniveau und Arbeitsmärkte sind immens.
Eine Lösung des Problems liegt sowohl in einer verbesserten Familienpolitik als auch in einer gezielten Zuwanderungspolitik. Denn ohne Zuwanderung würde die Bevölkerung in Deutschland bereits 2003 abnehmen, wie aus Prognosen hervorgeht. Allerdings ist gerade die Schließung der demografischen Lücke mit Immigranten dem Wahlvolk nur schwer zu vermitteln und auch nicht unumstritten. Gerade die volkswirtschaftlichen Zusammenhänge sind in der Wissenschaft noch nicht ausreichend erforscht. Ausgerechnet die ärmsten Länder haben hohe Geburtenraten, ohne dass sich das irgendeiner Weise positiv für sie ausgewirkt hätte. Eher im Gegenteil.
Schwierigkeiten bei der Auswahl der Zuwanderer
In der Behandlung der Einwanderungswilligen herrscht in Europa mehr oder weniger ein Konsens. Hochqualifizierte mit Sprachkenntnissen und Doktorhut werden von allen Staaten mit Kusshand empfangen. In dieser Frage stehen die Europäer im Wettbewerb zueinander und werden sich wohl kaum von Brüssel reinreden lassen wollen oder gar mit Quoten gängeln lassen. Allerdings gibt es zu wenig Erfahrungen mit der Auswahl integrationswilliger und gut ausgebildeter Einwanderer.
Illegale Immigranten und Flüchtlinge hingegen will keiner. Doch es fehlen plausible Vorschläge wie man illegale Einwanderung oder die 'Obstruktion des Asylrechts' - durch Vernichtung von Reisedokumenten oder Verschleierung der Identität - künftig auf EU-Ebene wirksamer bekämpfen könne. Stattdessen will die EU-Kommission das Asylverfahren mit zwei obligatorischen Überprüfungsinstanzen verlängern.
Gravierender noch erscheint, dass ein Kernstück der deutschen Asylrechtsreform von 1993 fallen soll: die Regelung, wonach aus sicheren Drittstaaten einreisende Asylbewerber ohne Einzelprüfung zurück gewiesen werden können. Ein EU-einheitliches Verfahren, wonach anerkannte Bewerber nach bestimmten Schlüsseln unter Berücksichtung persönlicher Wünsche und familiärer Bindungen auf die Mitgliedsstaaten verteilt werden, ist momentan noch Zukunftsmusik.
Quelle: europa-digital.de