YAHYA KEMAL BEYATLI:

Am Horizont des umkehrlosen Abends

(Dönülmez Akşamın Ufkundayız)

Am Horizont des umkehrlosen Abends sind wir. Es ist schon spät.

Der letzte Abschnitt ist es, o mein Leben - vergeh es, weil´s vergeht.

Selbst wenn wir davon träumten, einmal wieder

zur Welt zu kommen -

Mit einer solchen Hoffnung wollen wir uns

doch nicht vertrösten.

Wenn wir das Tor, das seine weiten Flügel

ganz schwarz ins Leere

Auftut und hinter dem die Sonne niemals mehr aufgehn wird,

Durchschreiten, wird die stille Nacht beginnen,

die niemals endet.

(Übersetzung: Annemarie Schimmel)

GEDICHTE
YAHYA KEMAL BEYATLI:

Göttliches Istanbul

(Aziz İstanbul)

Von einem Hang blickt´ich gestern auf dich göttliches Istanbul!

Kein einziger Platz, den ich nicht gesehen, erkundet und geliebt.

Stell dich auf den Thron in meiner Seele, so lange ich leb´!

Es ist ein Leben wert zu lieben einen Stadtteil von dir nur.

Zahlreich die glanzvollen Städte auf der Welt,

Du aber schufest Anmut bezaubernd.

Den schönsten und längsten Traum, sag´ich, hat gesehen

Der viele Jahre gelebt, gestorben, ruht in deiner Erde.

(Übersetzung: Beatrix Caner)

AHMET HAMDI TANPINAR:

Weder bin ich in der Zeit

(Ne içindeyim Zamanın)

Weder bin ich in der Zeit

Noch gänzlich außer ihr,

In der unteilbaren Strömung

Des einen, ewigen Augenblicks.

Den Farben eines fremdartigen Traumes

Scheinen die Formen zu entsprechen,

Eine Feder, wiegend in dem Winde

Ist nicht leichter als ich.

Mein Kopf, die Stille mahlende

Unendliche Mühle.

Mein Inneres, der erleuchtete,

Mittel- und stellenlose Derwisch.

Ich spüre wie die Wurzeln der Welt

In mir sich umschlingen,

Ich schwimme inmitten

Eines blauen, tiefblauen Lichtes.

(Übersetzung: Beatrix Caner)

YUNUS EMRE

Wenn ich als Freund beim Freunde bin

Wenn ich als Freund beim Freunde bin,

So hab ich einen Freund hier nicht,

Die andern schauen lachend hin,

Sie gönnen einen Gruß mir nicht.

Will Freund beim Freunde sein allein,

Will vor dem Tod gestorben sein,

Will opfern gern die Seele mein,

Ein Rest bleibt von der Welt mit nicht.

Ein armer Liebender bin ich

Ein armer Liebender bin ich,

Vom Kopf bis Fuß deckt Wunde mich,

Bin Tor, besessen sicherlich,

Verstand ist länger bei mir nicht.

Man glaubt, dass ich ein Narr sein mag

Bin Nachtigall in Freundes Hag

Des Herren Knecht gering und zag

Und einen Wert gibt man mir nicht.

Was sag ich, Yunus, nun im Land?

Aus dieser Welt bin ich gewandt,

Zum Freunde geh ich liebentbrannt,

Und Schleier gibts für mich hier nicht.

(Übersetzung: Annemarie Schimmel)

KEMALETTIN KAMU

Fremde ist so bitter

Fremde ist so bitter, dass

Alles, was da ist in mir,

Trägt für mich ein anders Maß

Ist mir fremd, so fremd allhier.

Keinen Wunsch, kein Hoffen mehr,

Eine Hand nur, die zerbricht -

Ich bin in der Fremde nicht:

Ach, die Fremde ist in mir.

(Übersetzung: Annemarie Schimmel)

Die Gedichte wurden der Seite Literaturca entnommen. Diese Seite möchten wir unseren LeserInnen herzlichst empfehlen.