An den SPD-Parteivorstand
Das SPD-Mitgliederbegehren
Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sorgen uns um die Zukunft unserer SPD. Wir sind überzeugt davon, dass wir nur mit einem klaren sozialdemokratischen Profil Erfolg haben können. Nur wenn wir wissen, wofür wir uns einsetzen, können wir die Menschen auch für unsere Ideen gewinnen. Das ist für uns keine Frage von linken und rechten Flügeln in der Partei und keine Frage von "Modernisierern" oder "Traditionalisten". Es geht um die gemeinsame Idee einer gerechten Gesellschaft, die persönliche Freiheit mit Solidarität verbindet.
Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten stehen zu unserer SPD-geführten Bundesregierung und unserem Bundeskanzler Gerhard Schröder. Gemeinsam haben wir seit 1998 viele wichtige Reformen erkämpft. Dafür tragen wir gemeinsam Verantwortung und darauf können wir gemeinsam stolz sein.
Wir sind die Partei, in der die Mitglieder die Richtung unserer Politik mitbestimmen. Wir melden uns zu Wort, weil Korrekturen notwendig sind, um als SPD Erfolg zu haben und Arbeit und soziale Gerechtigkeit zu schaffen.
Deshalb starten wir das erste Mitgliederbegehren in der Geschichte unserer Partei, um allen Mitgliedern der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands diesen Entscheidungsvorschlag nach § 39 a des Organisationsstatuts zur Abstimmung mit JA oder NEIN vorzulegen:
„Sozialdemokratische Politik muss sich an folgenden sieben Punkten orientieren:
1. Wir sind die Partei der sozialen Gerechtigkeit. Wir stehen für Erhalt und Ausbau des Sozialstaates. Wir wollen die sozialen Sicherungssysteme durch mehr solidarischen Ausgleich erneuern. Nach dem Solidarprinzip aufgebaute und finanzierte Renten- und Krankenversicherungen sollen alle Bürgerinnen und Bürger einbeziehen. Zur Finanzierung des Sozialstaates müssen alle Einkommensarten nach ihrer Leistungsfähigkeit beitragen. Eine Privatisierung von Lebensrisiken darf es mit uns nicht geben. Kürzungen bei Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe, Sozialhilfe und Krankengeld sind unsozial und führen zu einer gefährlichen Schwächung des Konsums. Höherer Wohlstand und seine gerechte Verteilung stehen nicht im Widerspruch zueinander - im Gegenteil, sie bedingen sich. Deshalb haben wir viel zur Entlastung der Menschen mit geringeren Einkommen getan. Statt die öffentlichen Haushalte nur über Ausgabenkürzungen zu sanieren, brauchen wir jetzt einen angemessenen Beitrag der Großvermögen. Die Vermögensteuer muss wieder eingeführt werden. Steuersenkungen für Reiche durch eine Zinsabgeltungssteuer und weitere Senkungen des Spitzensteuersatzes lehnen wir ab.
2. Wir sind die Partei der Arbeit. Mehr Beschäftigung ist möglich. Druck auf Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer und Arbeitslose schafft weder Arbeitsplätze noch Investitionen, sondern löst nur Ängste aus auch mit wirtschaftlichen Folgen. Wir brauchen mehr Kaufkraft bei den unteren und mittleren Einkommensschichten, damit private Nachfrage die Konjunktur stützt und Beschäftigung schafft. Wir brauchen deutlich mehr öffentliche Investitionen. Eine Konsolidierung der Staatsfinanzen ist unverändert notwendig, aber aus einer Wirtschaftskrise können wir uns nicht heraussparen, sondern nur herauswachsen.
Arbeitnehmerrechte sind kein Hindernis, sondern Voraussetzung für produktive und qualifizierte Arbeit. Wir sind stolz auf das neue Betriebsverfassungsgesetz und die Verbesserungen des Kündigungsschutzes. Wir haben dafür gesorgt, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf gleicher Augenhöhe mit ihren Arbeitgebern verhandeln. Bei den Arbeitnehmerrechten darf es deshalb keine Rückschritte geben. Starke Gewerkschaften sind für uns ein unverzichtbarer Teil des Wirtschaftslebens.
3. Wir sind die Partei der Zukunft. Wir stehen für nachhaltige Entwicklung und wir wollen Deutschland mit öffentlichen Investitionen in Umwelt, Bildung und Forschung modernisieren. Mit zusätzlichen Anstrengungen in Ostdeutschland wollen wir gleichwertige Lebensverhältnisse schaffen. Wir wollen Modernisierung und Globalisierung weder bekämpfen, noch als scheinbare Sachzwänge einfach hinnehmen, sondern sozial und ökologisch gestalten.
4. Wir sind die Partei der Frauen. Wir treten für gesetzliche Maßnahmen zur Gleichstellung der Geschlechter in allen Bereichen ein. Dazu gehört vor allem auch ein Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft, das gleichen Lohn für gleiche Leistung schafft. Unsere Initiativen zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf müssen weitergeführt und verstärkt werden.
5. Wir sind die Partei der Jugend. Wir stehen für mehr Chancengleichheit bei Bildung und Ausbildung. Wir brauchen die Weiterführung des Jump-Programms gegen Jugendarbeitslosigkeit und eine Umlagefinanzierung, um die Verantwortung der Wirtschaft für ein ausreichendes Ausbildungsangebot durchzusetzen. Wir müssen mehr Geld in unsere Schulen und Hochschulen investieren. Der Kanzler hat Recht: Bildung darf nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen.
6. Wir sind die Partei der Kommunen. In den Städten und den Gemeinden entscheidet sich, wie gut die Menschen leben. Hier liegt mit über 2/3 der öffentlichen Investitionen ein Schlüssel zu Wachstum und Beschäftigung. Deshalb wollen wir eine Gemeindefinanzreform, die den Kommunen langfristig und konjunkturunabhängig mehr Spielraum für Zukunftsinvestitionen gibt. Das geht nicht über kleine Kompetenzverschiebungen, sondern nur über eine erneuerte Gewerbesteuer, die alle Unternehmen und Selbständigen nach ihrer tatsächlichen Leitungsfähigkeit erfasst.
7. Wir sind die Partei des Friedens. In der Irak-Krise haben wir das bewiesen. Wir wollen keine Militäreinsätze außerhalb des Völkerrechts. Wir wollen eine friedliche europäische Außenpolitik, die Krieg nicht als Mittel der Politik sieht. Wir wollen Krisen durch Prävention verhindern. Wir wollen in der Tradition Willy Brandts eine soziale, ökologische und faire Weltwirtschaftsordnung durchsetzen.“
Erstunterzeichnerinnen und Erstunterzeichner:
Klaus Barthel, MdB (Kochel), Rudolf Borchert, MdL (Landesvorstand MV, Waren), Josef Falbisoner (ver.di-Landesvorsitzender, München), Werner Gloning (Kreisrat, Günzburg), Thomas Goger (Landesvorstand BY, Regensburg), Prof. Dr. Helga Grebing (Historische Kommission der SPD, München), Dr. Klaus Hahnzog, MdL (AsJ Bundesvorsitzender, München), Hans Hartl (Landesvorsitzender NGG, München), Elmar Kallfelz (Konzernbetriebsratsvorsitzender Postbank, Bonn), Dietmar Köster (Landesvorstand NRW, Ennepe-Ruhr), Horst Kubatschka, MdB (UB-Vorsitzender, Landshut), Hans-Jürgen Kummetat (Betriebsratsvorsitzender Postbank-Zentrale, Bonn), Monica Lochner-Fischer, MdL (AsF-Landesvorsitzende, München), Götz-Peter Lohmann, MdB (Kargow), Dr. Christine Lucyga, MdB (Rostock), Karl Nolle, MdL (Dresden), Florian Pronold, MdB (Juso-Landesvorsitzender, Deggendorf), René Röspel, MdB (Hagen), Werner Schieder, MdL (Stadtverbandsvorsitzender,Weiden), Franz Schindler, MdL (Regionalbezirksvorsitzender, Schwandorf), Horst Schmidbauer, MdB (Nürnberg), Fritz Schösser, MdB (DGB-Landesvorsitzender, München), Johanno Strasser (SPD-Grundwertekommission, Berg), Ottmar Schreiner, MdB (AfAVorsitzender, Saarlouis), Sigrid Skarpelis-Sperk, MdB (SPD-Parteivorstand, Pfronten), Rüdiger Veit, MdB (UB-Vorsitzender,Gießen), Frank Schwabe (SPD-Parteirat, Catrop-Rauxel), Adelheid Rupp (Stellv. UB-Vorsitzende, München), Gerold Vogel (Europabetriebsratsvorsitzender, ThyssenKrupp AG, Düsseldorf), Klaus Wiesehügel (Vorsitzender IG BAU, Königswinter), Waltraud Wolff, MdB (Kreisvorsitzende, Wolmirstedt), Andrea Ypsilanti, MdL (Landesvorsitzende HE, Frankfurt)
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