Interview

Britische Antikriegsbewegung: Wie Kriegsverbrecher stoppen?

Stefan Huth

jW sprach mit Helen John, stellvertretende Vorsitzende der Campaign for Nuclear Disarmament (CND)

F: Am 12. April findet der nächste weltweite Aktionstag gegen den Krieg in Irak statt. Wo steht die britische Antikriegsbewegung?

Die Gegnerschaft zu diesem Krieg ist in Großbritannien ungebrochen. Nicht nur in London, sondern in jeder größeren Stadt haben riesige Demonstrationen stattgefunden. Die Teilnehmerzahlen wachsen ständig, besonders jetzt, da sich auch die örtlichen Demonstrationen stärker bemerkbar machen.

Abgesehen von einer sofortigen Waffenruhe: Welche zentralen Forderungen sollte die internationale Antikriegsbewegung aufstellen?


Das wichtigste Ziel ist meiner Meinung nach, die Menschen zu zivilem Widerstand und Ungehorsam zu ermutigen. Mit dem Angriff auf Irak sind Blair und Bush zu Kriegsverbrechern geworden und haben zugleich alle Mitglieder ihrer Streitkräfte zu Kriegsverbrechern gemacht. Aufgefordert, »unsere Jungs« zu unterstützen, kann ich nur sagen, dass wir uns bewaffneten Streitkräften, die sich in einem illegalen Kampf befinden, auf jede Art widersetzen müssen. Die einzigen Jungs, die ich unterstützen kann, sind die drei britischen Soldaten, die nach Hause zurückgeschickt und vors Kriegsgericht gestellt wurden, weil sie aus Gewissensgründen den Dienst verweigert haben.

Es gibt Stimmen, die für die Einberufung einer UN-Vollversammlung unter dem Motto »Zusammenschluss für den Frieden« plädieren. Sollte dies ein vorrangiges Ziel der Antikriegsbewegung sein?

Ich weiß, dass diese Forderung in der Friedensbewegung eine Rolle spielt. Ich für meinen Teil unterstütze dieses Anliegen nicht, da ich der Auffassung bin, dass die UNO schon bei ihrer Gründung durch den Einfluss der USA zerstört wurde. Erst unlängst haben sie verschiedene Sicherheitsratsmitglieder abgehört, um vorab Informationen über deren Abstimmungsverhalten zu bekommen. Die USA haben ein System errichtet, in dem sie mit ihrem Veto dauerhaft jeden wirklichen Fortschritt im friedlichen Zusammenleben der Völker verhindern können. Aus der UNO ist ein gewaltiger Blockiermechanismus geworden, der entweder abgeschafft oder radikal verändert werden muss.

Wie können Bush und Blair noch gestoppt werden?

Eine der wirksamsten Aktionen, die in Großbritannien für breite Diskussionen sorgte, wurde von einer Dänin namens Ulla Roder durchgeführt. Sie sitzt derzeit in einem Gefängnis in Stirling/Schottland, weil sie sich Zugang zu einem schottischen Stützpunkt verschafft hatten, auf dem Tornado-Flugzeuge stationiert sind. Ohne weitere Hilfe zerstörte sie einen dieser Kampfjets und sieht sich nun mit einer Schadenersatzforderung in Höhe von 25 Millionen Pfund konfrontiert. Es sind Aktionen dieser Art, an denen wir uns beteiligen müssen. Der Schwerpunkt unseres Widerstands sollte sich gegen die konkrete Kriegslogistik, also die Militärbasen richten und sich nicht darauf beschränken, im Hyde Park oder im Zentrum Berlins herumzulaufen. Wir müssen dorthin gehen, wo das Problem existiert, z.B. zu den Funkbasen Menwith Hill und Filing Dales oder der Bodenrelaisfunkstelle in Bad Aibling/ Deutschland. Orte wie diese sind das Gehirn der US-amerikanischen Kriegsmaschinerie.

Sie versuchen derzeit, Verbindungen zu deutschen Antikriegsgruppen aufzubauen.

Zunächst einmal geht es uns darum, über die logistischen Verbindungen zwischen den Basen in Bad Aibling und Menwith Hill aufzuklären, das Verständnis für diese Zusammenhänge zu fördern und so auch zu einer besseren Zusammenarbeit zu kommen. Wir möchten zum Widerstand gegen Schröders Freigabe des deutschen Luftraums ermutigen. Die Rollbahn auf dem Stützpunkt in Shannon (Irland) wurde von Demonstranten aufgegraben, so dass die US-Amerikaner ihre Kriegsflugzeuge dort nicht länger zum Auftanken zwischenlanden können. Das geschieht nun statt dessen in Frankfurt/Main. Es ist ein absolut legitimes Anliegen, von Schröder zu verlangen, dass diese Kriegsunterstützung aufhören muss.

* Infos: http://www.cnduk.org

Aus: jw vom 9.4.2003