Abschlusserklärung des 10. Friedenspolitischen Ratschlages vom 6./7. Dezember 2003 - Erklärung zur EU-Verfassung
Im Folgenden dokumentieren wir die vom Bundesausschuss Friedensratschlag herausgegebene Erklärung zum Abschluss des 10. Friedenspolitischen Ratschlags in Kassel sowie eine aus der Arbeit einer Arbeitsgruppe heraus entstandene Erklärung zur EU-Verfassung.
"Abrüstung statt Sozialabbau" bleibt unverändert unsere Forderung an die politisch Verantwortlichen. Wir verlangen eine drastische Reduzierung der Rüstungsausgaben und die Streichung aller Rüstungsvorhaben, die für Auslandseinsätze der Bundeswehr vorgesehen sind. Wir wollen Frieden und Abrüstung jetzt. Wir wollen den Sozialstaat erhalten und eine gerechte und solidarische Gesellschaft dauerhaft gestalten.
Wir verlangen eine grundsätzliche Abkehr von der sich ausbreitenden internationalen Kriegspolitik, mit der die Mächtigen versuchen, ihre Interessen mit militärischen Mitteln durchzusetzen. Angriffskriege müssen verhindert, die deutsche Beteiligung an den weltweiten Kriegen muss gestoppt werden. Deshalb kann auf öffentliche, dem Menschen- und Völkerrecht verpflichtete Aufarbeitung des Irak-Krieges nicht verzichtet werden. Ein Irak-Tribunal der Völker ist überfällig.
Die Bundeswehr wird zur weltweiten Interventionsarmee hochgerüstet. Einsätze von der Evakuierungsmaßnahme bis zum Krieg sollen ausgeweitet werden. Dafür sollen spezielle Einsatzkräfte und neue kostspielige Waffen und Ausrüstungen beschafft werden. Wir brauchen weder Marschflugkörper, Streubomben, Eurofighter, noch Korvetten. Die Bundesregierung muss auf die "nukleare Teilhabe" verzichten. Atomwaffen abschaffen - bei uns anfangen.
Wir wenden uns gegen den Ausbau der Europäischen Union zu einer weltweiten militärischen Interventionsmacht. In der zukünftigen EU soll die Verpflichtung der Mitgliedstaaten "ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern" Verfassungsrang erhalten. Aufrüstung als Verfassungsziel - das ist der falsche Weg. Dem Inkrafttreten dieser Verfassung stellen wir uns entgegen. Wir unterstützen den europaweiten Aktionstag für ein anderes Europa am 9. Mai 2004, an dem die feierliche Verabschiedung der Europäischen Verfassung unter Ausschluss der Völker vorgesehen ist. Auch die Wahlen zum Europäischen Parlament müssen zum Signal gegen die beabsichtigte Militarisierung Europas werden.
Besorgniserregende Signale kommen aus den USA. Präsident Bush will das Arsenal einsatzfähiger Massenvernichtungswaffen erweitern. Es sollen "kleine Atombomben" entwickelt werden, die mit hoch präzisen Waffen punktgenau zum Einsatz kommen sollen. Das sind Massenvernichtungswaffen zum Einsatz in zukünftigen Präventivkriegen. Nicht die sogenannten Schurkenstaaten bedrohen die Existenz der Menschheit; es sind wieder einmal die USA, die unter Missachtung geltender Verträge und im Widerspruch zum Völkerrecht kriegsführungsfähige Atomwaffen entwickeln und einsetzen wollen. Dieser menschenverachtenden Politik werden wir uns mit allen Kräften - auch am Atomwaffenstationierungsort Ramstein - widersetzen.
Wir unterstützen die Aktivitäten gegen die NATO-"Sicherheitskonferenz" am 6./7. Februar 2004 in München. Wir rufen auf, den 15. Februar 2004 zu einem Informationstag über friedenspolitische Alternativen zu Krieg und Besatzung im Irak zu machen. Wir unterstützen den in Paris beim Europäischen Sozialforum beschlossenen Aktionstag am 20. März 2004 für den Rückzug der Besatzungstruppen aus dem Irak und für die Durchsetzung eines gerechten und dauerhaften Friedens in Nahost durch vielfältige regionale Initiativen. Der Genfer Nahost-Friedensplan kann neue Impulse für eine Verhandlungslösung geben. Wir unterstützen die Kampagne gegen die Mauer im besetzen Westjordanland.
Wir schlagen allen Bewegungen und Initiativen vor, vom 20. bis zum 27. März 2004 eine Aktionswoche für Frieden und soziale Gerechtigkeit mit vielfältigen Aktionen und Veranstaltungen im ganzen Land durchzuführen. Die Ostermärsche sollen die internationale Vernetzung und Zusammenarbeit der weltweit aktiven Friedensbewegung demonstrieren.
Gemeinsam mit den Gewerkschaften und den sozialen Bewegungen gestalten wir einen europäischen Aktionstag gegen Sozialabbau und unterstützen die Bildung lokaler und regionaler Mobilisierungsbündnisse. Unsere Forderung bei diesem Aktionstag: "Abrüstung statt Sozialabbau".
Kassel, den 7. Dezember 2003
Anlage
Die EU hat einen Entwurf für eine gemeinsame Verfassung vorgelegt, die dann über den einzelstaatlichen Verfassungen, also auch über dem deutschen Grundgesetz steht.
Die so genannte "Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik" (GASP) und die "gemeinsame Verteidigungspolitik" nehmen einen zentralen Raum im Verfassungsentwurf ein. Im friedens- bzw. militärpolitischen Bereich finden sich dramatische Neuerungen. So gibt es eine explizite Aufrüstungsverpflichtung mit Verfassungsrang: "Die Mitgliedstaaten verpflichten sich, ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern" (Artikel I-40 Absatz 3). Um diese regelmäßige Aufrüstung zu kontrollieren und teilweise durchzuführen wird ein "Europäisches Amt für Rüstung, Forschung und militärische Fähigkeiten" eingerichtet.
EU-Streitkräfte - z.B. die neue EU-Interventionstruppe mit 60.000 Mann und Frau - sollen zu "Kampfeinsätzen im Rahmen der Krisenbewältigung einschließlich Frieden schaffender Maßnahmen" (Artikel III-210) eingesetzt werden können. Weiter heißt es: "Mit allen diesen Missionen kann zur Bekämpfung des Terrorismus beigetragen werden, unter anderem auch durch die Unterstützung für Drittstaaten bei der Bekämpfung des Terrorismus in ihrem Hoheitsgebiet". (Artikel III-210).
Passend zur Absicherung der militärischen Komponente der EU wird im Verfassungsentwurf zudem das neoliberale Wirtschaftsmodell festgeschrieben.
Diese EU-Verfassung darf nicht umgesetzt werden!
Wir lehnen diese EU-Verfassung ab!
- Wir sind für einen neuen EU-Verfassungsentwurf,
der auf breiter gesellschaftlicher Basis unter Einschluss sozialer, emanzipatorischer Bewegungen entsteht,
- der eine Europäische Union schafft, die sich dem Krieg verweigert,
- und der die Vision einer demokratischen, sozialen und zivilen Europäischen Union erfüllt.
Kassel, 07.12.2003
Erstunterzeichner/innen:
Bundesausschuss Friedensratschlag, Deutscher Friedensrat, Informationsstelle Militarisierung u.a.