„Die arbeitenden Klassen müssen im Zentrum stehen“

Tarık Şengül

Zu 1.) Die Sozialwissenschaften sind, genau wie alle gesellschaftlichen Bereiche, Bereiche die vom Klassenkampf beherrscht werden. In diesem Kampf leisten die Sozialwissenschaften einen Beitrag zur Erklärung der herrschenden Machtverhältnisse und der Gegenbewegungen. In diesem Zusammenhang beeinflusst der Globalisierungsprozess wie alle Bereiche, auch die Sozialwissenschaften und besetzt die Begrifflichkeiten. Einer der wichtigsten Probleme dieser Wissenschaft ist das Verständnis und das Begreifen dieses Prozesses. Einige der Aktiven im Bereich der Sozialwissenschaft sehen den Globalisierungsprozess als etwas unausweichliches und etwas positives und setzten ihre Arbeit in diesem Sinne institutionell und empirisch weiter. Andere wiederum wollen den negativen Ergebnissen des Globalisierungsprozesses mit Nationalismus entgegentreten. Eine solche Polarisierung wirkt auf klassenbewusste Kreise sowie auf die Entwicklung von Verteidigungsstrategien negativ. Natürlich sollte man dem Globalisierungstendenzen entgegen treten, aber die Basis dieses Entgegentretens kann nicht der Nationalismus, sondern ein klassenbewusstes Verständnis sein. Meiner Ansicht nach ist das wichtigste Hindernis der Sozialwissenschaft die Tatsache, dass sie die arbeitenden Klassen nicht in ihrem Zentrum sieht und diese Tatsache nicht überwunden hat.

Zu 2.) Die Voraussetzung dafür, damit die Sozialwissenschaften sich in einer gesellschaftlichen Linie weiter entwickeln, ist ihre Unabhängigkeit von Staat und Kapital. Aber in der heutigen Situation kann nicht davon gesprochen werden, dass diese Voraussetzung erfüllt ist. Ganz im Gegenteil, in einer Zeit der Abhängigkeit und der steigenden Zahlen der privaten Hochschulen sowie des Zusammenspiels des Staates und der Industrie ist die Produktion einer solchen sozialwissenschaftlichen Verständnisses in den Hochschulen fast unmöglich. Während Forschungen mehr denn je wegen der Finanzierung von Regierungswillen abhängig werden, können nur in vorgegebenen Bereichen Forschungsarbeit geleistet werden. Diese Situation macht eine, von Staats- bzw. Kapitalinteressen unabhängige Forschungsarbeit unmöglich und die abhängig gewordene Forschungsarbeit wird immer mehr unglaubwürdig.

Zu 3.) Einer der wichtigste intellektuellen Problematiken ist es, dass die Universitäten von den akademischen Kreisen der entwickelten Ländern abhängig sind. Die theoretischen Ausführungen, welche in den Industrieländern entwickelt werden, werden ohne sie zu hinterfragen importiert und es wird versucht, mit diesen Theorien die gesellschaftliche Realität der Türkei zu erklären. Das Ergebnis wird entweder versucht, die Erfahrungen in die Theorie rein zu zwingen oder die Nichtkompatibilität wird mit den defizitären Praktiken der Türkei erklärt. Eine solche Abhängigkeit ist das größte Hindernis vor dem Verstehen der Spezifisierungen der Türkei. Auch das Hochschulverständnis, welches sich dem Kapital nähert, tritt als ein Hindernis für die Entwicklung des wissenschaftlichen und kritischen Wissens auf. Selbstverständnis gäbt es Arbeiten, die solche Sichtweisen überwinden wollen. Aber leider sind sie in den Sozialwissenschaften als eine Minderheit zu bezeichnen.

Zu 4.) Es ist eine Tatsache, dass in dem Bereich der Sozialwissenschaften zu wenige Kongresse und ähnliche Veranstaltungen stattfinden. Daher sind die, von dem Verein der Sozialwissenschaften der Türkei organisierten Kongresse als sehr positiv zu beurteilen. Solche Veranstaltungen ermöglichen die Erfassung der Situation, in der sich die Sozialwissenschaften befinden. Aber gleichzeitig sollte betont werden, dass in den letzten Jahren vermehrt Redebeiträge zu beobachten sind, die von dem Druck in den Universitäten beeinflusst sind. Eine andere Besonderheit ist, dass in den Erklärungen der Akademie zu oft aus den Westen stammende „Moden“ wiedergegeben werden. Trotz alldem sind solche Veranstaltungen sehr wichtig, weil sie uns die Möglichkeit geben, um uns herum passierte zu sehen.

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