Drei Fronten
Von Ignacio Ramonet
DIE Bürger sollen es wissen: Der Globalismus greift die Gesellschaften nunmehr an drei Fronten an. An der erste Front betrifft es die gesamte Menschheit: an der Front der Wirtschaft. Sie wird beherrscht von jener Dreifaltigkeit, die als wirkliche "Achse des Bösen" zu bezeichnen wäre: dem Internationalen Währungsfonds (IWF), der Weltbank und der Welthandelsorganisation (WTO). Sie zwingen die Welt unter die Diktatur des Markts, unter die Vorherrschaft der Privatwirtschaft und den Kult des Profits und richten auf dem gesamten Planeten unermesslichen Schaden an. Betrügerischer Bankrott beim Energiekonzern Enron, Währungskrise in der Türkei, finanzieller Zusammenbruch in Argentinien: ökologische Schäden, wohin man auch schaut.
Und die nächste Internationale Konferenz über Entwicklungsfinanzierung, die vom 18. bis 22. März im mexikanischen Monterrey stattfindet, wird das allgemeine Desaster wohl noch verschlimmern, da die Privatwirtschaft offiziell zum Motor der Entwicklung des Südens werden soll.1 Es ist ein Skandal, dass die Staats- und Regierungschefs - insbesondere die der Europäischen Union - sich weigern, entwicklungspolitische Maßnahmen zu ergreifen, die zwei Drittel der Menschheit aus ihrem Elend retten könnten.
Vorstellbar ist folgendes Zehnpunkteprogramm: Die Schulden der armen Länder sind zu streichen. Für die Gesamtheit der südlichen Länder muss eine umfassende, gerechte und ausgewogene Schuldenregelung gefunden werden. Garantien müssen her, die sicherstellen, dass künftige Finanzierungskredite mit tragbaren Konditionen abgeschlossen und für eine dauerhafte Entwicklung verwendet werden. Die reichen Länder müssen sich verpflichten, mindestens 0,7 Prozent ihres Reichtums für Entwicklungsfinanzierung bereitzustellen. Die "Terms of Trade" zwischen Nord und Süd müssen ausgeglichen werden. Irrationale Kapitalbewegungen sind zu kontrollieren. Das Bankgeheimnis ist aufzuheben. Steueroasen sind für gesetzwidrig zu erklären. Und internationale Finanztransaktionen müssen endlich besteuert werden.
Die zweite Front - an der heimlich, still und leise agiert wird - ist die Ideologie. Mit der aktiven Unterstützung von Universitäten, namhaften Forschungsinstituten (Heritage Foundation, American Enterprise Institute, Cato Institute) und führenden Medien (CNN, The Financial Times, The Wall Street Journal und The Economist, denen zahllose Journalisten nach dem Mund reden) hat sich eine regelrechte Überredungsindustrie herausgebildet, die den Bewohnern dieses Planeten weismachen soll, bei der Globalisierung habe man nichts als das Glück der Menschheit im Sinn. Gestützt auf die Macht der Information und mit der passiven Komplizenschaft der Beherrschten haben die Ideologen etwas errichtet, was man als komfortablen Despotismus bezeichnen könnte.2
Diese manipulativen Unternehmungen erhielten nach dem 11. September 2001 Schützenhilfe aus dem Pentagon. Es richtete ein "Büro für strategische Einflussnahme" ("Office for Strategic Influence") ein, dessen vornehme Aufgabe darin bestehen sollte, Desinformationen zu verbreiten, um "Öffentlichkeit und politisch Verantwortliche sowohl befreundeter als auch feindlicher Länder zu beeinflussen"3. Orwell lässt grüßen. Wie in den finstersten Zeiten des McCarthyismus und des Kalten Kriegs hätte das Pentagon damit über eine Art Propagandaministerium verfügt, um zu verbreiten, was man mit dem abscheulichen Begriff der "offiziellen Wahrheit" bezeichnet. Das Projekt scheiterte jedoch bald daran, dass es der Öffentlichkeit bekannt und damit obsolet wurde.
Die dritte - militärische - Front ist neueren Datums. Eröffnet wurde sie unmittelbar nach den traumatischen Ereignissen vom 11. September in der Absicht, die neoliberale Globalisierung in aller Form mit einem eigenen Sicherheitsapparat zu flankieren. Eine Zeit lang waren die Vereinigten Staaten versucht, diese Mission der Nato anzuvertrauen, besannen sich dann aber anders und beschlossen, die Aufgabe selbst zu übernehmen, sich die hierfür benötigten Mittel zuzulegen und ihren Plan mit beeindruckender Effizienz in die Tat umzusetzen. Der jüngste Krieg gegen das Taliban-Regime und das Al-Qaida-Netzwerk in Afghanistan überzeugte Washington, dass es bei solchen Missionen nicht sehr nutzbringend ist, die Hilfe der strategischen Verbündeten - Großbritannien, Frankreich oder der Nato - mehr als unbedingt nötig in Anspruch zu nehmen.4
Diese Geringschätzung zeigte sich vor kurzem darin, dass die Bush-Administration ihre Aliierten nicht einmal konsultierte, bevor sie bekannt gab, dass sie die Absicht habe, demnächst den Irak anzugreifen. Die Protestnoten der europäischen Staatskanzleien, ohnehin halbherzig genug, haben die US-Administration in keiner Weise beeindruckt. Vasallen haben sich zu verbeugen. Amerika aber strebt inzwischen nach absoluter politischer Dominanz. William Pfaff von der International Herald Tribune konstatiert: "Die Vereinigten Staaten sind in gewisser Weise der erste Proto-Weltstaat. Sie sind imstande, sich an die Spitze der modernen Version eines Imperiums zu setzen, dessen Mitglieder sich freiwillig der spontan entstandenen Autorität unterwerfen."5
Dieses Imperium strebt danach, den Globalismus faktisch zu verwirklichen. Alle Gegner dieses Projekts, alle Dissidenten und Widerstandskämpfer müssen wissen, dass sie fortan an allen drei Fronten bekämpft werden: wirtschaftlich, ideologisch und militärisch. Die Zeit der Menschenrechte scheint vorüber.
Fußnoten:
1 Dazu "Projet de conclusions et décisions de la Conférence internationale sur le financement du développement", Vereinte Nationen, Generalversammlung, 30. Januar 2002, Dokument A/AC.257/L.13.
2 Ignacio Ramonet, "Liebesgrüße aus Hollywood", Zürich (Rotpunktverlag) 2002.
3 International Herald Tribune, 20. Februar 2002.
4 "Guerres du XXIe siècle", Paris (Galilée) 2002.
5 International Herald Tribune, 7. Januar 2002.
Le Monde diplomatique Nr. 6701 vom 15.3.2002, 159 Zeilen, Ignacio Ramonet
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