Interview mit Sebahattin Çetin
von Martina Priessner
Sebahattin Cetin von Belge Film ist Produzent und Verleiher. Sein Schwerpunkt in der Verleiharbeit liegt auf dem europäischen Film. Er ist Mitglied der (executive comittee) türkischen Produktionsassoziation und er ist Chef (Generalsekretär??) der nationalen türkischen Kinovereinigung.
Auf der Berlinale wurde kein einziger Film aus der Türkei gezeigt. Haben Sie eine Erklärung?
Ich glaube, dass in der Türkei genug Filme produziert werden, die im Programm der Berlinale sein könnten, auch im Wettbewerb. Das müssen sie diejenigen fragen, die die Filme aussuchen. In den letzten 10 Jahren hatten wir, außer „Bedrängnis im Mai“ von Nuri Bilge Ceylan, keinen Film im Wettbewerb oder in anderen Sektionen. Das ist sehr schade, denn ich denke, dass türkische Filme gut ins Programm passen würden. Die Struktur des Festivals sollte es möglich machen, denn es wird ja eine sehr große Bandbreite an Filmen gezeigt.
Wenn es nicht die Qualität der Filme ist, woran liegt es dann?
Das ist eine Frage, die ich mir auch selber immer stelle. Ich komme seit 1981 nach Berlin. 1985 hatten wir einen Film „Behlevan“ im Wettbewerb und einige im Panorama und dann noch „Bedrängnis im Mai“. Wir schicken Filme nach Cannes und Venedig aber nicht nach Berlin. Irgendetwas läuft falsch. Ich verfolge seit 20 Jahren die Filme, die hier gezeigt werden und die Qualität ist nicht so hoch, dass Filme aus der Türkei nicht mithalten könnten. Wir reichen jedes Jahr mindestens drei Filme ein, aber sie werden noch nicht einmal Panorama gezeigt.
Abgesehen von den eher kommerziellen Produktionen schaffen es ja auch sonst kaum türkische Filme in die deutschen Kinos. Regisseure wie Zeki Demirkubuz oder Nuri Bilge Ceylan sind zwar auf Festivals international erfolgreich, aber im Kino sind ihre Filme nicht zu sehen.
Wir haben 21-25 Millionen Eintrittsgelder im Jahr. 90 Prozent des Geldes stammt aber von us-amerikanischen Filmen. Hollywood setzt den türkischen Film sogar in der Türkei unter Druck. Was den Verleih türkischer Filme in Deutschland betrifft, es gab Filme, Bandit zum Beispiel, die ziemlich erfolgreich waren. Die Filme von Zeki und Nuri, das ist kein einfaches Kino, es ist ein Kunst-Kino. Hier in der Türkei gibt es zwar ein Publikum dafür, aber es ist ziemlich klein. Der Punkt ist, in der Türkei wie in Deutschland können diese Filme nur in Programm-Kinos gezeigt werden. Die Verleiher haben kein Interesse solche Filme in Deutschland zu vertreiben. Sie vertreiben lieber populäre Filme, mit denen sie die Kinosäle vollkriegen.
Wie sieht es aus mit dem Filmnachwuchs in der Türkei? Welche Rolle spielt die ökonomische Situation auf die Filmschaffenden?
Die Gruppe von Produzenten in der Türkei ist sehr klein. Das sind vielleicht 10 bis 15 Personen. Von staatlicher Seite beträgt die Unterstützung gleich null. Es gibt also nur die Möglichkeit seinen Film ans Fernsehen zu verkaufen oder man schafft es über Koproduktionen mit Fernsehsendern Geld für die Realisierung eines Films zu bekommen oder Eurimages-Gelder. Einige Produzenten versuchen eine unabhängige türkische Filmorganisation aufzubauen. Sie verhandeln gerade mit Regierungsvertretern über Förderung und Gesetze. Ich glaube, wenn sich diese Organisation erst einmal etabliert hat, werden wir bald die Zeit des türkischen Films erleben.
Die finanzielle Situation ist sicher das größte Problem. Dazu kommt aber auch, dass es nicht genügend gute Drehbücher gibt. In dem Bereich muss etwas passieren, es muss in die Ausbildung investiert werden, Workshops und ähnliches sind geplant. Wir haben gute Schauspieler, wunderschöne Orte um Filme zu drehen und sehr gute Regisseure. Was fehlt ist Geld und gute Drehbücher.
Sie haben den kurdischen Film „Zeit der trunkenen Pferde“ in der Türkei in die Kinos gebracht. Hier auf der Berlinale haben sie Interesse an den Rechten von „Ararat“ von Atom Egoyan, der das Thema des armenischen Genozids thematisiert, bekundet.
Als ich mich entschied „Zeit der trunkenen Pferde“ in der Türkei in die Kinos zu bringen, war mir von vorneherein klar, was auf mich zukommen würde, denn die kurdische Sprache war zu der Zeit noch verboten. Ich habe den Film also von Frankreich gekauft und nicht vom Iran. Nachdem der Film als französischer Film in kurdischer Sprache präsentiert wurde, gab es plötzlich ein riesiges Medienecho und eine Diskussion wurde losgetreten. Die Menschen mochten den Film und es war schwer nachzuvollziehen, warum der Film nicht gezeigt werden sollte. Die Argumente für eine Zensur des Filmes konnten nicht überzeugen, denn der Film thematisierte noch nicht einmal den türkisch-kurdischen Konflikt, sondern es war einfach nur die kurdische Sprache.
Ich glaube, wenn man in der Türkei etwas an den Gesetzen und Diskussionen vorbei machen will, muss man einen persönlichen Weg dafür finden, um Druck auf die Situation auszuüben.
Um die Vorurteile zu durchbrechen und mehr Toleranz zu schaffen, fand die Premiere des Films in Diyarbakir statt. Auch die Musik zum Film ist legal erhältlich, es hat sich etwas verändert. Seit „Zeit der trunkenen Pferde“ liefen schon drei oder vier weitere kurdische Filme in den Kinos.
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