Die Rolle der Türkei für die Außen- und Sicherheitspolitik der EU

Von Karin Gerwens

Seit dem 11. September 2001 hat die Außen- und Sicherheitspolitik der EU an Gewicht gewonnen und vieles spricht dafür, den Aufbau der "Schnellen Eingreiftruppe" der EU zu beschleunigen. Seit dem EU-Gipfel in Helsinki im Dezember 1999 steht fest, dass die Union eine eigene Streitmacht aufbauen wird. Diese soll jedoch nicht parallel zur NATO bestehen, sondern wird deren Aufgaben im Rahmen der Petersberger Beschlüsse ergänzen.

Das heißt: Es wird auf vorhandenes Material zurückgegriffen, das schon aus Kostengründen Doppelstrukturen vermieden werden sollen. Im Einsatzfall soll die "Schnelle Eingreiftruppe" den Planungsstab und, nach vorheriger Zustimmung der NATO-Mitglieder in jedem Einzelfall, die Kommandostruktur, die Awacs-Flugzeuge zur Luftaufklärung, die Ölpipelines und das abhörsichere Kommunikationsnetz des Verteidigungsbündnisses nutzen können.

Blockadehaltung der Türkei

Darin liegt auch das Problem begründet: Einige europäische Staaten, darunter die Türkei, sind zwar Mitglied der NATO, nicht jedoch der EU. Geostrategisch ist die Türkei durch die Nachbarschaft zum Nahen Osten ein wichtiger Verbündeter in der NATO. In der Vergangenheit hat Ankara genau diese Zusammenarbeit von NATO und EU blockiert, da sie als einziges Mitglied der Union die Zustimmung zur Benutzung von NATO-Material verweigert hat.

In Ankara besteht die Furcht, dass die Waffen der Bündnispartner in den eigenen Krisenregionen wie dem kurdischen Gebiet und vor allem Zypern zum Einsatz kommen könnten. In dem jahrelang schwelenden Konflikt forderten türkische Politiker ein Mitspracherecht bei allen Einsätzen der "Schnellen Eingreiftruppe". Griechenland lehnte das kategorisch ab. Der griechische Außenminister Jorgos Papandreou sieht die Entscheidungsbefugnis der "Schnellen Eingreiftruppe" allein bei den EU-Mitgliedern, während die Beitrittskandidaten allenfalls zu Rate gezogen werden könnten.

Kompromissbereitschaft auf beiden Seiten

Im Dezember 2001 haben die Türken dem EU-Plan dann doch zugestimmt: Britische und amerikanische Unterhändler vermittelten einen Kompromiss zwischen der Europäischen Union und der Türkei. Der türkische Regierungschef Bülent Ecevit gab nach einem Gespräch mit wichtigen Militärvertretern bekannt, dass den "gerechtfertigten Erwartungen in der Frage der europäischen Verteidigung" zu einem großen Teil entsprochen worden sei. Vorgesehen ist, dass die Türkei vorab bei allen Einsätzen der EU-Eingreiftruppe informiert werden soll, auch dann, wenn ihre eigenen Interessen nicht berührt werden. Ein förmliches Mitspracherecht bekommt die Türkei nicht. Einsätze, die die Sicherheitsinteressen der Türkei berühren, wie z.B. im Irak, sollen aber nur mit deren Zustimmung möglich sein. Zudem erklärt sich die EU bereit, bei Streitigkeiten zwischen NATO-Partnern nicht einzugreifen. Die letzte Klausel ist eine versteckte Anspielung auf den Zypern-Konflikt. Im Gegenzug soll die EU den gewünschten Zugang zu Einrichtungen und Kapazitäten der NATO erhalten.

Der ausgehandelte Kompromiss würde beiden Parteien nützen: Die Türkei hofft auf eine baldige Mitgliedschaft in der EU und ist zur Zeit bemüht, Differenzen aus dem Weg zu räumen. Die Europäische Union sieht ihre Krisentruppe bereits 2003 im Einsatz und möchte weitere Schritte möglichst schnell beschließen. Doch die neue Formel stößt auf Widerstand bei den Griechen: Die sind nach wie vor gegen eine engere Einbindung der Türkei wegen des Zypernkonflikts.

Eine Lösung scheint nicht in Sicht: Wiederholte Treffen der Kontrahenten Türkei und Griechenland haben bislang zu keinem Ergebnis geführt. Griechenland macht jegliches Entgegenkommen gegenüber Ankara von einer Entspannung auf der zwischen Griechen und Türken geteilten Insel Zypern abhängig, doch danach sieht es im Moment nicht aus.

Der Hohe Repräsentant für Außenpolitik, Javier Solana, sieht in einem Arrangement mit Ankara zwar "keine absolute Bedingung" für die Zusammenarbeit zwischen NATO und EU. Doch gerade die Verteidigungssituation nach dem 11. September 2001 macht die Türkei durch die Nähe zu den neuen Krisenherden zu einem unablässigen Partner.

Aus: europa-digital.de

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