»Wir müssen eine Welt bauen, die auf dem Schutz der Menschen und deren sozialen Belangen basiert, in der Kinder nicht mehr Hungern müssen und Kapitalinteressen nicht mehr alles bestimmen. Lateinamerika wird das Fundament dafür sein, denn hier wächst etwas, das uns zeigt, das man anders leben kann. Wir brauchen keine Angst zu haben, wir müssen uns nur gegenseitig unterstützen.« Mit diesen, an die Kameras gerichteten Worten sagte die Bolivianerin Maria Guereci das aus, was die aus mehr als 30 Ländern stammenden TeilnehmerInnen des Weltsozialforums wahrscheinlich auch dachten.
Letzten Dienstag begann mit einer Demonstration von zehntausenden von Menschen das Weltsozialforum in Caracas. In Venezuela. In einem Land, das für die Völker Lateinamerikas zu einer neuen Hoffnung wird. Während der »Club der Reichen« in Davos unter scharfen Sicherheitsmaßnahmen über die Verteilung der Märkte debattierte, kam aus Caracas ein unüberhörbares Signal an die in Davos: Globaler Widerstand gegen den Neoliberalismus!
Es ist kein Zufall, dass Caracas als Veranstaltungsort für das Weltsozialforum gewählt wurde. Lateinamerika ist in den letzten Jahren ein Kontinent geworden, in der Realisierungsansätze von Alternativen zur kapitaldominierten und militaristischen Politik deutlich werden. Linke Regierungen kamen in Venezuela, Brasilien, Uruguay, Argentinien, Chile und zuletzt in Bolivien an die Macht. In der Tat, Maria hat recht. Lateinamerika kann, als ein großes Laboratorium verschiedener linker Politikansätze, das Fundament einer anderen Welt werden.
Während in Caracas diese Hoffnung gehegt wurde, verfolgten rund 2.300 Eliten der Weltwirtschaft und Politik in Davos unter großem Beifall die Rede Angela Merkels, mit der sie das Weltwirtschaftsforum eröffnete. In ihrer Rede unterstrich Merkel die Ziele ihrer, von Kapitalinteressen dominierten Politik. Sie wies auf die ehrgeizigen Pläne ihrer Regierung, als Exportweltmeister die Spitzenposition in der Weltwirtschaft einzunehmen, hin und betonte die Notwendigkeit, alle Vorschriften, die ein Hindernis für die unternehmerische Freiheiten bedeuten, abzubauen. Man braucht nur auf die letzten Jahre zurückzublicken, um zu sehen, was das bedeutet. Die katastrophalen Folgen einer Politik, die stets mit Interventionskriegen, Sozialabbau, Aushöhlung der Demokratie, Umweltzerstörung und Privatisierung öffentlicher Daseinsvorsorge gleichzusetzen ist, sind nicht zu übersehen.
Hauptthemen der neoliberalen Strategiekonferenz waren China, Indien, Arbeitslosigkeit und Energiefragen. Der Grund, warum China thematisiert wurde, ist der Tatsache geschuldet, dass China mit ihrer Wirtschaftskraft inzwischen Frankreich überholt hat und nach den USA, Japan und Deutschland zur viertgrößten Wirtschaftsmacht aufgestiegen ist. Das Bruttoinlandsprodukt Chinas stieg in 2004 um 10,1 Prozent und 2005 um 9,9 Prozent. Als aufsteigender neuer Markt mit großen Potentialen macht China den Mund der internationalen Konzerne wässerig. Die Themensetzung zeigt darauf, welchen Kurs die Verteilungskämpfe demnächst nehmen werden.
Die Diskussionen über die Arbeitslosigkeit wiederum zeigen, dass das stetig wachsende Arbeitslosenheer sowie die im Hinterhof der Industrieländer sich formierenden Billiglohnländer zur Erhöhung des Drucks auf die Löhne und soziale Rechte weiter instrumentalisiert werden. Kurzum, die Pläne von Davos bedeuten für weite Teile der Weltbevölkerung nichts Gutes.
Die Stimmen aus Caracas jedoch lassen die Hoffnung wachsen. Wie die liebe Maria sagte, die Hoffung für den globalen Widerstand gegen den Neoliberalismus. Hoffnung. Ist es nicht die Hoffnung, die es einen warm ums Herz werden lässt?